Kultur Erinnerungen an die alte Heimat

Köln · Mehr als 15.000 Syrer leben derzeit in Köln. Viele sind vor dem Krieg und der Diktatur in ihrer Heimat nach Deutschland geflüchtet. Dabei haben sie nicht nur ihrer Häuser und viele Habseligkeiten zurückgelassen.

 In der Sonderausstellung trifft syrischer Alltag auf die lange Geschichte des Landes.

In der Sonderausstellung trifft syrischer Alltag auf die lange Geschichte des Landes.

Foto: step/Eppinger

Auch die identitätsstiftende Kultur und Geschichte vermissen die Geflüchteten in einem für sie zunächst fremden Land. Das ging auch dem syrischen Archäologen Jabbar Abdullah so, als er 2014 nach Köln kam. Damals reifte in dem Wissenschaftler die Idee, der Erinnerung mit einer außergewöhnlichen, von ihm konzipierten Ausstellung einen Raum zu geben.

Zeigen wollte er die Schau in seiner Wahlheimat Köln. Doch dort wollte sich zunächst niemand für das Projekt begeistern. Auch in anderen deutschen Städten war Abdullah bei den angefragten Museen nicht erfolgreich. Jetzt hat seine Ausstellung „Syrien – Gegen das Vergessen“ im Rautenstrauch-Joest-Museum endlich einen Ort gefunden. Dort wird sie noch bis zum 11. September den Besuchern gezeigt.

Leben und Alltag trifft
auf Kultur und Geschichte

Es ging Jabbar Abdullah nicht darum, den Krieg und die Flucht zu zeigen. Vielmehr will er Einblicke in das Leben und den Alltag sowie in die syrische Kultur und Geschichte geben. Die Schau handelt von einem Syrien, das unter all den aktuellen Ereignissen, wie dem Krieg oder der Assad-Diktatur, vergessen zu werden droht.

Die Schau verbindet in den Ausstellungsräumen auf der ersten Etage des Kulturquartiers archäologische Funde mit Alltagsgegenständen wie Schmuck oder Kleidung und mit zeitgenössischer Kunst. Gezeigt werden zudem Foto- und Filmaufnahmen, die in Syrien unter größten Risiken entstanden sind. Deshalb verzichtet die Schau auch darauf, die Namen der Fotografen und Filmer zu nennen, die sonst in ihrer Heimat in große Gefahr geraten könnten.

Zu der Sonderschau gehört auch ein Zeitstrahl der syrischen Geschichte. Er beginnt mit Faustkeilen aus der Steinzeit, die ein Archäologe, der mit dem Rad in Syrien unterwegs war, 1930 mit nach Deutschland gebracht hat. Gefunden wurden diese in den Höhlen von Yabroud. Auch aus römischer Zeit gibt es Funde genauso wie aus dem Mittelalter im 14. und 15. Jahrhundert. Der Blick fällt auch auf die antiken Stätten vom Palmyra, wo der IS seine Zerstörungswut ausgelebt hat.  „In dem Dorf, in dem ich groß geworden bin, gab es überall Spuren der antiken Geschichte. Das ist etwas, was mich auch an meiner Wahlheimat Köln so fasziniert“, sagt der Archäologe.

Er wirft in seiner Ausstellung  auch die spannende Frage auf, wie Objekte von Syrien in die Sammlungen deutscher Museen kamen. Vielfach waren es Wissenschaftler, die mit ihrer archäologischen Forschung zum Verständnis der frühen Zivilisation im heutigen Syrien beigetragen haben. Zahlreiche Funde brachten sie nach Deutschland. Einige davon wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört, andere gerieten im Laufe der Zeit in Vergessenheit und werden nun mit der Ausstellung erstmals präsentiert.

Erinnert wird an die bekannten syrischen Städte wie Aleppo, Damaskus und Raqqa, aus denen die Besucher immer wieder Szenen aus dem Alltag in den Bildern erleben können. Dabei fällt der Fokus auch auf die unterdrückte jüdische Geschichte des muslimischen Landes. Gezeigt wird ein übergroßer Plan des alten jüdischen Viertels in Damaskus. Der Plan wird mit Filmaufnahmen ergänzt, die in den Straßen dieses Viertels unter großen Gefahren gedreht worden sind.

Syrische Kinder haben das Land ihrer Eltern noch nicht gesehen

„Mir war die Ausstellung ein Herzensanliegen. Sie richtet sich neben der syrischen Community an die deutsche Öffentlichkeit, die sich allein auf den Krieg, den IS und das zerstörte Palmyra zu konzentrieren scheint. Gleichzeitig mochte ich dem Vergessen der syrischen Kultur in den Köpfen der syrischen Kinder etwas entgegensetzen. Sie haben das Land ihrer Eltern nie sehen können“, sagt Abdullah.

Seine Schau ist zum Teil barrierefrei gestaltet. Inhalte sind zusammenfassend in Gebärdensprache als auch in Form einer Audiodeskription zugänglich. Zudem stehen einige der Exponate als 3D-gedruckte Touchtour zur Verfügung. Zur Schau gibt es ein umfassendes Rahmenprogramm mit Workshops für Kinder sowie mit Führungen zu verschiedenen Themen in deutscher und in arabischer Sprache.

 

Service: Ausstellung „Syrien – Gegen das Vergessen“ noch bis zum 11. September im Rautenstrauch-Joest-Museum, Cäcilienstraße 29-33, Köln, Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr, donnerstags 10 bis 20 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort