Interview Ein Leben ganz ohne Basislager

Schiller kommt mit neuem Album auf Tour. Stationen sind am 17. Mai die Kölner und am 18. Mai die Oberhausener Arena.

 Der Musiker und Schiller-Gründer Christopher von Deylen. Seit mehr als 20 Jahren steht Schiller für rhythmische Elektrosounds.

Der Musiker und Schiller-Gründer Christopher von Deylen. Seit mehr als 20 Jahren steht Schiller für rhythmische Elektrosounds.

Foto: dpa/Daniel Bockwoldt

Wie fühlen sich 20 Jahre Schiller für Sie an?

Christopher von Deylen: Wenn ich nicht darauf angesprochen würde, würde ich es gar nicht bemerken. Ich bin ein Mensch, der lieber nach vorne blickt. Es sind in den vergangenen 20 Jahren viele tolle Dinge passiert, aber mir ist es wichtiger, immer wieder etwas Neues zu erschaffen und mich nicht auf dem Alten auszuruhen. Ich bin neugierig und rastlos, wenn es darum geht, mich dem nächsten Schritt zuzuwenden. Dabei fühle ich mich immer wieder wie ein Anfänger, der seinen ersten Schritt wagt.

Welche Bedeutung hat Schiller für Christopher von Deylen?

Von Deylen: Schiller ist ein relevanter Teil von mir und andersherum ist es genauso. Ich verändere mich als Person und versuche, das auch in meine Musik einfließen zu lassen. Es ist wichtig, auch immer mal wieder ganz von vorne zu beginnen, auch wenn das, was herauskommt, wieder in ähnlichen Bahnen verläuft wie das Vorherige. Aber oft biege ich, wenn alles wieder auf null gestellt wird und ich dann wieder loslaufen kann, auch an anderen Stellen ab, als ich das bislang getan habe.

Was hat sich in Ihrer Musik verändert?

Von Deylen: Die emotionale Art Musik zu machen, ist geblieben. Natürlich habe ich heute ein anderes Rüstzeug als von 20 Jahren. Aber man sollte sich von seinem Werkzeug nicht allzu viel diktieren lassen. Man muss immer Herr der Lage bleiben. Die Arbeit ist heute etwas einfacher geworden, weil man nicht mehr unbedingt ein großes Studio braucht, um Musik zu machen. Die kleinen, kompakten, transportablen Studioeinheiten erlauben es, auch an ausgefallenen Ort zu arbeiten. Beim aktuellen Album war es mir aber wichtiger, mich in eine festgelegte Umgebung wie ein großes Studio zu begeben. Dort trifft man Entscheidungen ganz anders, weil die Zeit abläuft. Da kann ich meinen Gefühlen unbefangener vertrauen, zu viel Nachdenken ist nicht immer gut.

Wie wichtig ist für Sie das Reisen?

Von Deylen: Unterwegs zu sein und zu reisen, ist etwas, das mir sehr liegt und das ich sehr gerne mag. Daraus kann ich sehr viel Energie ziehen. Es sind die unvorhergesehenen Momente und Begegnungen, die reizvoll sind. Wegen ihnen bin ich jemand, der immer auf der Vorderkante des Stuhls sitzen bleibt. So bleibe ich in einem permanenten Stadium der Wissbegierde und Neugier. Diese Gier kann süchtig machen. Ich versuche, meinen emotionalen Schwamm immer wieder neu zu tränken. Das ist mein Katalysator für meine Arbeit als Musiker. Reisen sind auch wichtig, um die eigene Existenz immer wieder aufs Neue zu relativieren.

Gibt es noch Traumziele für kommende Reisen?

Von Deylen: Traumziele gab es bei mir nie. Ich arbeite nicht eine Liste von Traumzielen ab, sondern lasse mich gerne treiben. So bin ich zum Beispiel in den Iran gekommen, geplant war das nie. Es hat sich einfach so ergeben. Man muss auch mal bereit sein, sich der Unplanbarkeit des Lebens hinzugeben, und man muss auch einfach mal loslassen können. Dann passieren Dinge, die man sich nicht hätte ausdenken können. Das ist Beruhigung und Stimulation zugleich.

Das Basislager in Berlin haben Sie inzwischen aufgegeben.

Von Deylen: Ich mag die Stadt und war sehr oft da. Es war eine tolle Zeit in Berlin. Aber die Zeit, als die Stadt der Nabel der Schiller-Welt war, ist vorbei. Berlin hat sich verändert und ich habe mich auch verändert. Das Konzept eines Basislagers hat sich überlebt und mir fehlt auch nichts. Im Moment bin ich glücklich mit meiner Freiheit. Ich merke zudem, dass die Großstadt nicht mehr meine Verheißung ist. Diese ist ein Raum mit sehr vielen Menschen, in dem man viel erleben kann. Aber wenn man in sich hineinhorchen möchte, ist es leichter, das in der Natur zu tun, auch wenn nicht alles positiv ist, was man so erfährt. Man kann sich auch dem Unbequemen stellen und seine Leidenschaft neu entdecken. Die Großstadt bietet dagegen Zerstreuung und Ablenkung vom Unbequemen. Außerdem ist der Mensch in der Natur eher zu Hause. Bäume, Wälder und archaische Landschaften haben eine viel tiefere Wirklichkeit als die Straßenschluchten von Berlin.

Welche Beziehung haben Sie zu Köln?

Von Deylen: Ich liebe Köln, bedauere es aber zutiefst, dass es dort die Popkomm nicht mehr gibt. Das war im Jahr immer ein guter Vorwand, für eine Woche nach Köln zu kommen. Das Kölner Publikum ist mir wegen seiner Offenheit, seiner Aufgeschlossenheit und dem positiven Denken immer sehr wichtig gewesen. Diese Lebensfreude gibt es nirgendwo anders.

Was erwartet die Fans beim Konzert am 17. Mai in der Kölner Arena?

Von Deylen: Ich bin mit meiner tollen neuen, alten Liveband unterwegs, die sehr spielfreudig ist. Die Proben haben vor einigen Wochen begonnen. Es gibt sehr energiegeladene Stücke, die mit einer großen Vehemenz arrangiert worden sind. Die Lichtgestaltung verstärkt die Wirkung der Musik. Der Sound hüllt das Publikum ein, sodass man unser Konzert als ganzheitliches Ereignis erleben kann.

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