Kunst Die Sehnsucht nach dem Draußen

Köln · Bei den Figuren in den Gemälden der südkoreanischen Künstlerin Jeehye Song erkennt der Betrachter nur den Unterkörper mit den Beinen, während der Oberkörper mit dem Kopf und den Armen nach draußen zu entfliehen scheint.

Noch bis zum 19. November läuft die Ausstellung mit den Werken von Jeehye Song in der Artothek.

Noch bis zum 19. November läuft die Ausstellung mit den Werken von Jeehye Song in der Artothek.

Foto: step/Eppinger

Die Figuren sind in begrenzten, irgendwie privaten Räumen zu sehen. Dort befinden sich Accessoires des täglichen Lebens wie ein Paar nachgemachte Adiletten, die der Figur gerade von den Füßen gefallen sind.

Trotz kräftiger Farben ist die Stimmung aber eher verhalten, gedrückt. Es entsteht aus der Isolation der Figuren im begrenzten Bildraum ein gemeinsamer Wunsch nach Ausbruch, eine Sehnsucht nach dem Draußen. Die Wege dorthin sind vielfältig – durch das Fenster, durch die Leinwand oder durch das Maul einer Zimmerpflanzenkolonie.

Jeehye Song ist mit ihren Bildthemen ganz nah am eigenen Alltag, orientiert sich am persönlichen Empfinden. Mittels selbstironischer Komik schafft sie es jedoch, dazu Distanz herzustellen, die auch beim Publikum die vorgefundenen Situationen und Stimmungen relativiert und ihr selbstreferentielles Verharren durchbricht.

Manche Arbeiten erinnern ein wenig an die surrealistischen Werke eines Salvador Dalí. „Ich versuche, nicht reale Situationen ganz real zu malen, sodass eine neue Realität entstehen kann. Oft habe ich das Gefühl, regelrecht in die Leinwand einzutauchen, hinter diese zu blicken und mich dort zu verstecken“, sagt die 1991 in Seoul geborene Künstlerin, die ihr Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie 2021 als Meisterschülerin von Prof. Andreas Schulze abgeschlossen hat.

Mit ihren Arbeiten hat sie die Jury überzeugt und so das Friedrich-Vordemberge-Stipendium erhalten. Ihre Gemälde sind noch bis zum 19. November in der Kölner Artothek im Haus Saaleck an der Straße am Hof zu sehen.

Diese hat ihre Pforten im Jahr 1973 eröffnet. Damals hatte der Direktor der Stadtbibliothek die Idee aufgegriffen, nicht nur Bildung in Büchern, sondern auch Kunst zu verleihen. Nach der 1969 gegründeten Graphothek in Berlin ist die Artothek die zweitälteste Einrichtung ihrer Art in Deutschland. Ihren ersten Bestand erhielt sie aus der Kölner Kunstszene – von Künstlern, Galerien und dem Kunstverein.

Seit fast 50 Jahren
gibt es die Artothek in Köln

Die Stadtbibliothek hatte damals noch eine Dependance im Haus Saaleck, wo der Schwerpunkt auf dem Kunstbuch lag. Nach dem Umzug an den heutigen Standort am Neumarkt, blieb die Artothek als Teil der Stadtbibliothek am angestammten Standort. Und man verlieh nicht nur Kunstwerke, sondern kuratierte auch eigene Ausstellungen, für die sich Künstler bis heute bewerben können.

Als in den 90er Jahren die Schließung drohte, gliederte man die Artothek dem Kölnischen Stadtmuseum an. Seit 2008 gehört die Einrichtung zum städtischen Kulturamt. Der Bestand ist auf knapp 1600 Kunstwerke angewachsen und wird durch Ankäufe ständig ausgebaut. Etwa 2000 Ausleihen verzeichnet man pro Jahr.

„Die Bilder sind versichert und werden gerahmt sowie mit Plexiglas geschützt. Daher konzentrieren wir uns auf Arbeiten auf Papier wie Grafiken, Zeichnungen, Fotografien oder Aquarelle. Man kann, nachdem man sich mit dem Personalausweis angemeldet hat, ein Kunstwerk für 10 oder 20 Wochen ausleihen. Für 10 Wochen werden sieben Euro Leihgebühr fällig. Verpackt wird die Kunst dann sicher in einen Transportkarton. Manche haben zu Hause schon einen festen Platz für unsere Werke reserviert. Andere geben sogar einen Empfang mit Freunden, wenn neue Kunst ankommt“, erläutert die künstlerische Leiterin Astrid Bardenheuer.

Das Alter der Ausleihenden reiche von 18 bis 80 Jahren. „Es sind überwiegend Privatleute, die sich bei uns Kunst ausleihen. Das reicht von Studenten, die Kunst für ihre WG suchen, bis zur kompletten Familie, die sich hier vor Ort gemeinsam ein Werk für das eigene Wohnzimmer aussuchen. Die Ausleihenden werden zunehmend jünger.“

Die Namen reichen von deutschen Künstlern wie Gerhard Richter, Rosemarie Trockel oder Sigmar Polke bis zu internationalen Kunstgrößen wie Andy Warhol, Roy Lichtenstein oder Christo. Der Fokus beim eigenen Bestand liegt bei nach 1950 entstandenen Arbeiten. „Die Berühmtheit des Malers ist aber nicht unbedingt ausschlaggebend. Entscheidend ist viel mehr die Beziehung zum Werk und nicht unbedingt die zum Künstler“, sagt Bardenheuer.

 

Service: Artothek – Raum für junge Kunst im Haus Saaleck, Am Hof 50, Köln; Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 13 bis 19, Samstag 13 bis 16 Uhr.

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