Corona „Die Anzahl der Patienten wird in den kommenden Wochen deutlich steigen“

Wie ist aktuell die Situation in Köln?

 Prof. Horst Kierdorf ist der Ärztliche Leiter der städischen Kliniken.

Prof. Horst Kierdorf ist der Ärztliche Leiter der städischen Kliniken.

Foto: Ahrens-Steinbach/Kliniken Köln

Prof. Horst Kierdorf: Seit zehn bis zwölf Tagen ist der Zahl der Covid-Patienten bei uns in den Kliniken deutlich angestiegen, deutlicher als dies noch im März und April der Fall war. Wir haben zum einen deutlich mehr Patienten, die schwer erkrankt sind, und wir sind anders als im Frühjahr, als wir noch extra Kapazitäten freigehalten hatten, jetzt in den Kliniken in einem regulären Vollbetrieb. Das bedeutet eine deutlich höhere Belastung, insbesondere für das Pflegepersonal. 

Was sind die größten Herausforderungen für Sie als Ärztlicher Direktor der städtischen Kliniken?

Kierdorf: Wir müssen ausreichend Kapazitäten für die Versorgung von Covid-Patienten bereitstellen. Gleichzeitig müssen wir weiter Notfälle behandeln und es gibt Patienten, deren Operationen zuletzt wegen des Verdi-Streiks schon mehrfach verschoben worden sind. Das sind keine absoluten Notfälle, aber die Patienten warten trotzdem auf ihre OP zum Beispiel bei einem langsam wachsenden Tumor oder weil das Metall, das Schmerzen bereitet, wieder aus dem Fuß heraus muss. Diese Dreieinigkeit müssen wir jetzt bewältigen. 

Wie ist die aktuelle Covid-Situation in Ihren Kliniken und wie lautet ihre Prognose für die nächsten Wochen?

Kierdorf: In den Erwachsenenabteilungen in Merheim und Holweide haben wir derzeit 59 Covid-Patienten, davon 21 auf der Intensivstation. Wir gehen davon aus, dass die Anzahl der Patienten in den kommenden zwei bis drei Wochen weiter deutlich steigen wird. Das passiert immer etwa eine Woche zeitversetzt zum Infektionsgeschehen. Das gilt auch, wenn aktuell die Infektionszahlen wieder etwas abflachen. 

Wie beurteilen Sie den aktuellen Lockdown und werden weitere Einschränkungen notwendig sein?

Kierdorf: Was die weiteren Einschränkung betrifft, kann man das aktuell nicht sagen. Wir müssen jetzt erst die Auswirkungen der aktuell geltenden Maßnahmen abwarten. Beim Lockdown selbst, waren einschneidende Maßnahmen dringend erforderlich, um das ungebremste Ansteigen der Infektionszahlen in den Griff zu bekommen. 

Wie ist das Gesundheitssystem aktuell aufgestellt?

Kierdorf: Das Gesundheitssystem ist deutlich besser aufgestellt, als dies noch im Frühjahr der Fall war. Dafür gibt es zwei Gründe: Während der ersten Welle haben wir zusätzliches Personal ausgebildet bzw. wir haben es an den modernen Geräten geschult und es so auf den neuesten Stand gebracht. Außerdem wissen wir medizinisch besser Bescheid über die Behandlung der Erkrankung. So weiß man heute, dass man möglichst lange mit der Beatmung von Patienten warten sollte. Außerdem gibt es zwei Medikamente, die wir erfolgreich bei der Behandlung der Erkrankung einsetzen können. Auch die Versorgung mit Schutzkleidung ist jetzt kein Problem mehr. 

Wie wichtig ist die Kooperation mit anderen Kliniken?

Kierdorf: Diese Zusammenarbeit ist immens wichtig, insbesondere bei den beiden Kliniken der Maximalversorgung, das sind wir rechtsrheinisch und die Uniklinik linksrheinisch. Nur so können wir unsere Kapazitäten optimal nutzen. Daher gibt es etwa alle zwei bis drei Tage Absprachen. Diese reicht auch über die Stadtgrenzen Kölns hinaus und könnte auch landesweit erforderlich werden. 

Wie berechtigt ist die Hoffnung, dass wir bald über einen Impfstoff verfügen werden?

Kierdorf: Wir haben die Hoffnung, dass wir spätestens in den ersten beiden Monaten des kommenden Jahres einen Impfstoff einsetzen können. Wie lange der dann hilft, kann man aber heute noch nicht beurteilen. Positiv ist derzeit, dass es viele Studien schon in der Phase 3 gibt, was einen wirksamen Impfstoff immer wahrscheinlicher macht. 

Wie sieht derzeit Ihr Alltag als Klinikchef aus?

Kierdorf: Was die Organisation betrifft, nimmt Covid derzeit 80 Prozent meiner Arbeitszeit ein. Wir müssen Kapazitäten schaffen sowie Menschen motivieren und einteilen sowohl beim ärztlichen als auch bei Pflegepersonal. Insofern ist die Fokussierung auf dieses Notfallgeschäft bei mir sehr stark. 

Wie gehen Sie persönlich mit der Bedrohung um?

Kierdorf: Ich halte mich auch im privaten Umfeld an die allgemeingültigen Maßnahmen, die wir auch bei uns in den Kliniken konsequent umgesetzt haben. 

Was macht Ihnen derzeit Sorgen und was macht Ihnen Hoffnung?

Kierdorf: Sorgen macht mir die zunehmende Belastung unseres Personals durch die aktuelle Situation in Kombination mit möglichen Infektionen im privaten Umfeld. Hoffnung macht mir in erster Linie ein bald einsetzbarer Impfstoff.

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