Interview mit Stefan Bachmann, Intendant des Kölner Schauspiels : „Das Theater lebt davon, live und echt erlebbar zu sein“
Köln. Der Intendant des Kölner Schauspiels, Stefan Bachmann, spricht im Interview darüber welche Folgen die Krise für sein Haus hat, und wie die Theatermacher ihr Medium in der kommenden Spielzeit für sich zurück erobern wollen.
Die laufende Spielzeit wurde bei den Kölner Bühnen vorzeitig beendet.
Wie erleben Sie im Moment Köln in der Krise?
Stefan Bachmann: Ich erlebe im Moment nur sehr wenig von der Stadt, da ich mich ziemlich strikt an die Anweisungen halte. Entweder arbeite ich aus dem Homeoffice im Kölner Süden oder in meinem Büro im Norden. Ansonsten bin ich kaum im öffentlichen Raum unterwegs. Das Ganze hat etwas Irreales, alles ist zur Ruhe gekommen. Ich wohne nahe am Rhein und habe festgestellt, dass selbst die Schiffe weniger geworden sind. Die Zeit vergeht im Moment anders, weil sich die Parameter in der Krise verändert haben. Es scheint, als sei alles auf den Kopf gestellt.
Was sind die größten Herausforderungen für Sie als Theatermacher?
Bachmann: Wir leben momentan in einer Zeit in der wir kaum länger als zwei Wochen im Voraus planen können. Theater ist aber etwas, das Planung unbedingt braucht – wir haben bei den Produktionen sehr lange Vorläufe. Oft dauern die Planungen für eine Premiere mit allen Vorbereitungen ein dreiviertel Jahr oder länger. Da gibt es einen gewissen Workflow, der jetzt durch die Krise unterbrochen worden ist. Einiges gerät dadurch bedrohlich ins Wanken und das könnte auch Auswirkungen auf die kommende Spielzeit haben. Die Zukunft ist ungewiss. Man fährt in der Politik im Moment auf Sicht. Das ist wie bei Nebel auf einer kurvenreichen Straße – man sieht nur wenige Meter nach vorne und weiß nie, was hinter der nächsten Kurve kommen wird. Die Frage ist, wann lichtet sich der Nebel. Bis dahin sind Geduld und Vorsicht gefragt. Eigentlich sind wir Theatermacher darauf ausgerichtet, kritisch zu sein, zu hinterfragen und auch mal zu provozieren. Das scheint mir jetzt nicht unsere dringendste Aufgabe. Wir sind in der Bundesrepublik und deren Vorgehen in der Krise gut aufgehoben, das meiste ist doch sehr nachvollziehbar
Die laufende Spielzeit wird vorzeitig beendet. Wie gehen Sie damit um?
Bachmann: „Für mich als Theatermacher ist die Absage einer Vorstellung grundsätzlich die letzte aller Möglichkeiten. Normalerweise suchen mein Team und ich immer nach einer Lösung, um unserem Publikum am Abend eine Aufführung zu präsentieren. Dabei steht die Gesundheit unserer Gäste, die uns seit der Einstellung des Spielbetriebes in unseren Spielstätten sehr fehlen, und meiner Kolleginnen und Kollegen immer an erster Stelle. Durch die Entscheidung haben wir aber auch etwas Planungssicherheit gewonnen und nutzen die nächsten Wochen, unterschiedliche Konzepte zu entwickeln, wie wir unter Einhaltung eventueller Sicherheitsmaßnahmen einen Spielbetrieb mit Beginn der Spielzeit 2020/21 vornehmen können.“
Wie nutzen Sie die Zwangspause aktuell?
Bachmann: Aktuell nutzen wir den virtuellen Raum, um auf uns aufmerksam zu machen. Das sind Streamingangebote von Produktionen oder auch kleinere Beiträge von uns, die als Podcast online gestellt werden. Allerdings ist Theater nicht für den virtuellen Raum gemacht. Es lebt davon, live und echt erlebbar zu sein. Es geht um Interaktion zwischen den Menschen. Daher ist die aktuelle Situation für uns nur schwer auszuhalten. Wir würden gerne wieder spielen und die Ungeduld ist entsprechend groß. Aber man kann nur in kleinen Schritten vorwärtsgehen. Im Moment mache ich mir Gedanken zu kleinsten Formaten, die es ermöglichen, die Abstands- und Hygieneregeln im Theater einzuhalten. Wir müssen uns unser Medium ganz langsam zurückerobern. Vorstellbar ist das aber erst, wenn die Kontaktsperren gelockert werden.