Interview mit Dr. Matthias Hamann, Leiter des Kölner Museumsdienstes „Die Möglichkeiten, Museen zu besuchen, werden sich ändern“

Was sind für Sie als Leiter des Museumsdienstes die größten Herausforderungen in der Krise?

 Matthias Hamann, Direktor des Kölner Museumsdienstes, ist von den digitalen Angeboten der Museen begeistert.

Matthias Hamann, Direktor des Kölner Museumsdienstes, ist von den digitalen Angeboten der Museen begeistert.

Foto: B. Schlier

Dr. Matthias Hamann: Die Museen haben inzwischen wieder geöffnet. Es gelten natürlich Restriktionen wie Hygiene- und Abstandsregeln oder die Maskenpflicht in den Häusern. Das funktioniert gut, die Besucher sind vernünftig. Wir beschäftigen uns gerade mit dem Veranstaltungssegment in den Museen, das ist unser Kerngeschäft, derzeit aber noch nicht möglich. Dennoch überlegen wir natürlich, wie wir das Thema Veranstaltungen unter den neuen Bedingungen am besten umsetzen werden. Klassische Führungen und Kurse mit 15 Personen wird es wohl auf absehbare Zeit nicht geben können. Es ist aber möglich, dass wir unsere Guides in den Räumen eines Museums an bestimmten Stellen postieren und die Besucher auf markierten Positionen stehen, sich mit den Guides unterhalten und dann weiter flanieren. Auch Vorträge sind unter bestimmten Bedingungen in einigen Wochen möglich.

Die Museen haben seit etwa zwei Wochen wieder geöffnet, wie fällt die erste Bilanz aus?

Hamann: Die Leute sind, was den Museumsbesuch angeht, verständlicherweise noch etwas zurückhaltend. Das gilt insbesondere für die ältere Zielgruppe. Dazu kommt das schöne Wetter in der Woche nach der Wiedereröffnung. Es gibt aber Menschen, die jetzt die geringen Besucherzahlen nutzen, um ein Haus oder ein Kunstwerk für sich alleine zu haben. Ausgeblieben sind natürlich auch Schulklassen und Touristen. Gerade die Vormittage gestalten sich daher völlig anders und viel ruhiger. Ansonsten gibt es große Unterschiede von einigen Dutzend Besuchern in einem Haus bis zu mehreren 100 Besuchern am Kölntag im Ludwig.

Was sind die Folgen der Krise für die Museen?

Hamann: Zunächst einmal verschiebt sich die eine oder andere Ausstellung. Das hat oft mit Leihgaben zu tun, die nun nicht rechtzeitig kommen. Aber natürlich gibt es auch finanzielle Einbußen. Durch die ausbleibenden Eintrittsgelder oder Veranstaltungen verringern sich die Erträge – übrigens natürlich auch in den Museumsshops. Wir sind uns der Situation sehr bewusst und überprüfen unsere Ausgaben. Welche finanziellen Folgen die Corona-Krise für die Museumslandschaft insgesamt haben wird, ist aktuell nicht absehbar. Die Sponsoren jedenfalls stehen hier zu ihren Zusagen. Eine andere Herausforderung wird sein, mit welchen Strategien und Ideen wir die sehr gute Entwicklung, dass die Kölner Museen auch Orte der Begegnung, Treffpunkte für die Menschen sind, weiter stützen können.

Was wird sich sonst beim Museumsbesuch ändern?

Hamann: Die Zugangsmöglichkeiten werden sich verändern. Ist das Museum voll, kann man nicht reingehen und muss warten. Um Schlangen zu vermeiden, wird das Thema Anmeldung, Vorabbuchung und Zeitkontingente an Bedeutung gewinnen. Die Menschen werden anfangen ihren Besuch wie bei einem Konzert- oder Theaterbesuch vorzuplanen. Das gibt es an Standorten wie Paris oder Florenz ja schon lange. Damit erhöhen sich erst einmal die Schwellen für einen Besuch. Das ist eine Herausforderung, denn die waren ja in den letzten Jahren deutlich niedriger geworden. Das ist aber kein Hexenwerk, denn die digitale Welt kann uns dabei helfen. Das Ziel für die Museen und die Vermittlungsarbeit wird es sein, die geringeren Raumkapazitäten, die wir jetzt haben, optimal zu nutzen.

Wie wurden die digitalen Angebote in der Krise genutzt?

Hamann: Gut. Sie waren auch vielfältig. Es gab 360-Grad-Rundgänge wie im Museum Schnütgen oder verfilmte Direktorenführungen in mehreren unserer Museen. Wir hatten als Museumsdienst Tutorials für Kinder angeboten. Das wurde gut angenommen. Digitale Führungen und ähnliche Ersatzangebote werden wohl nach der Krise wieder verschwinden oder jedenfalls zurückgehen, die Bedeutung der digitalen Begleitung eines Museumsbesuch wird aber weiter zunehmen. Hier hat die Krise die Digitalisierung beschleunigt. Das Internet wird auch für digitalaffine Hochrisikogruppen in der Zukunft wichtiger werden, und das wollen wir nutzen.

Wie verändert sich das Verhältnis von Kindern und Jugendlichen zum Museum?

Hamann: Besuche von Schulklassen kann es vorerst wegen der Erlasse der Ministerien nicht geben. Wie lange das dauert, wissen wir natürlich nicht. Wir wollen die Lehrkräfte in dieser schwierigen Situation unterstützen und werden daher verstärkt neue Formate konzipieren. Anschauungsmaterial und Aufgaben zum Download, Projekte vor Ort und anderes – insgesamt eine Mischung aus realen Schulbesuchen und digitalen Ansätzen. Das umzusetzen ist nicht allzu schwierig, weil wir bereits an Konzepten arbeiten. Damit wollen wir zum neuen Schuljahr starten.

Wie werden die Hygienevorschriften aktuell umgesetzt?

Hamann: Es gibt die Maskenplicht, Desinfektionsspender und eine Obergrenze der Besucherzahlen. Wir arbeiten außerdem an der Einführung eines flächendeckenden Online-Ticketings. Der eigentliche Besuch einer Sammlung wird sich aber nicht so stark verändern. Abstandhalten ist jetzt Pflicht, und das Aufsichtspersonal muss entsprechend reagieren und Hinweise geben, wenn die Zahlen wieder steigen. Aber die Teams sind darin geschult. Die Besucher müssen etwas Geduld mitbringen. Man kann nicht nebeneinander vor die Objekte treten und sie anschauen, sondern hinter- und nacheinander.

Was macht Ihnen aktuell Hoffnung und was Sorge?

Hamann: Sorgen macht mir die Situation der freiberuflichen Kollegen, denen jetzt alle Aufträge für Führungen oder Workshops weggebrochen sind. Wir haben 120 Mitarbeiter für unsere Veranstaltungen, die wir aktuell nicht anbieten können. Für diese Leute bedeutet die Krise Sorgen um die eigene Existenz. Hoffnung macht mir, dass es auch in der Krise Chance gibt, wie bei den digitalen Angeboten. Hier durchlaufen wir gerade einen unglaublich spannenden Prozess.

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