Lesen Corona Storys: 83 Geschichten von einem Ausnahmezustand

Köln · Was zu Jahresbeginn noch für einen unheimlichen Science Fiction gehalten wurde, ist längst Realität geworden. Die Corona-Pandemie hat die Welt verändert und hat sie noch immer fest im Griff. Doch die Menschen erleben diese Krisenzeit recht unterschiedlich, wie die Kölner Autorin Caroline Roggendorf in ihren Corona Storys eindrucksvoll zeigt.

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Foto: Edition Steffan/fax-m

83 Menschen aus aller Welt erzählen ihre Geschichte über einen Ausnahmezustand. Sie kommen aus Argentinien genauso wie aus Nepal, aus Spanien sowie aus Deutschland. Stichtag war der Ostersonntag.

Für Claudia (53), Krankenschwester aus Bottrop, ist es ein Tag, an dem sie vieles schmerzlich vermisst. Sie kann ihre Kinder nicht in den Arm nehmen, die Mutter wird nicht zu Besuch kommen, die Osternacht findet nicht in der Kirche statt und auch das gemeinsame Singen im Chor muss in diesen Tagen entfallen. Schnell wird klar, wie düster sich der Lockdown auf die eigene Stimmung legt und wie wichtig gerade die kleinen Dinge werden, wenn sie nicht mehr zur Verfügung stehen. Trotzdem gibt es im Leben auch Konstanten, die Mut machen: das Haus mit Garten, der sichere Job, die modernen Kommunikationsmöglichkeiten und die Tatsache, dass alle gesund sind. Und es besteht Hoffnung, dass Tugenden wie Rücksichtnahme, Zufriedenheit und Wertschätzung die Zeit der Krise überstehen werden.

Mit der Großfamilie
in einem Haus in Quarantäne

Für den Softwareentwickler Ricardo (39) aus dem italienischen Rimini, eine der am schlimmsten von der Pandemie betroffenen Städte im Land, bedeutet Corona, dass er in einem Mehrfamilienhaus in der Quarantäne festsitzt. Der Ostersonntag sticht etwas aus den immer gleichen Tagen heraus. Die Kleider werden etwas schicker, das Essen etwas üppiger und dank mangels bestimmter Zutaten werden Rezepte sogar weiter entwickelt und verbessert. Es bleibt die Sorge um die Cousine, die alleine in Bologna festsitzt. Ansonsten ist die Familie in dieser Zeit dauerhaft versammelt und dank der strengen Ausgangssperre beginnen die Eltern im Kreis ums Haus zu laufen, um sich etwas bewegen zu können. Geht es trotzdem mal kurz nach draußen, müssen die Hygieneregeln strengstens eingehalten werden, den fünf der neun Bewohner sind über 60 und gehören zu Risikogruppe. Trotzdem erkennt Riccardo das Positive, dass die Leute in seinem Umfeld noch recht viel Glück hatten und weitgehend gesund geblieben sind.

Rupesh ist Bergführer in Kathmandu im fernen Nepal. Offiziell hat das Virus sein Land bereits Ende Januar erreicht. Der erste Patient von damals hat sich vollständig von der Erkrankung erholt. Im April gibt es noch 18 bestätigte Fälle und es wurde viel getan, um das Virus in den Griff zu bekommen. So wurde die gesamte Bevölkerung in Nepal unter Quarantäne gestellt. Sorgen macht dem Bergführer das Ausbleiben der Touristen, mit denen er seinen Lebensunterhalt verdient. Auch andere Menschen leiden Not, da sie ihre Arbeit verloren haben. Dazu kommt die schwierige Situation im Gesundheitswesen ohne ausreichende Testkapazitäten und Schutzmasken.

Eva (39) ist Psychologin in Köln. Sie weiß es zu schätzen, dass in Deutschland im Lockdown zumindest noch Spaziergänge im Sonnenschein erlaubt sind. Freunde aus Spanien sitzen dagegen in ihrem Haus fest. Nur der Weg zur Arbeit und zum Einkaufen ist erlaubt. Eigentlich wäre Eva mit einer Gruppe über Ostern in Süddeutschland gewesen – jetzt muss ein Videocall ausreichen, um mit den Freunden gemeinsam Ostern zu begehen. Das Leben ist von der Freude auf das Wiedersehen von Familie und Freunden sowie von der Hoffnung, dass alle weiter gesund bleiben. Viele Fragen zur Zukunft in Corona-Zeiten bleiben allerding weiter unbeantwortet.

Lolo (72) aus Federal in Argentinien ist Physiker und Viehzüchter im Ruhestand. Er lebt auf einem großen Anwesen mit drei Familien und zwei Mitarbeitern in Quarantäne im Nordosten des Landes. Nur noch selten geht es in die nahegelegene Stadt. Ostern wird mit der Familie und einem Ausritt gefeiert. Sorgen macht die Produktion, die zu sinken droht. Argentinien trifft die Krise als armes Land besonders hart. Was die Zukunft bringen wird weiß Lolo nicht, nur dass es für ihn und die Familie eng werden wird.

Caroline Roggendorf (Hg.): Corona Storys – 83 Berichte aus aller Welt über einen Ausnahmezustand, Edition Steffan, 240 Seiten, 14.90 Euro

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