ÖPNV Aus alten Bahnen werden neue Züge

Köln · In der Hauptwerkstatt der KVB in Weidenpesch werden die Fahrzeuge entkernt und wieder komplett neu aufgebaut.

 Die komplett entkernte Bahn wird mit dem Sandstrahler gereinigt.

Die komplett entkernte Bahn wird mit dem Sandstrahler gereinigt.

Foto: Eppinger

Seit rund 30 Jahren tun die 28 Hochflurfahrzeuge auf den Kölner Schienen ihren Dienst. In den Jahren 1982 bis 1984 wurden sie vom Hersteller Siemens Duewag an die KVB ausgeliefert. Ihre Vorgänger aus den 70er Jahren sind inzwischen zum Großteil in Istanbul im Einsatz. Eines kann im Straßenbahnmuseum in Thielenbruch besichtigt werden. „2007/08 stand die Entscheidung an, was mit den Bahnen passiert. Optionen waren, sie ebenfalls zu verkaufen, sie zu verschrotten oder sie komplett zu sanieren. 30 Jahre ist in etwa die Lebensdauer, die ein solches Fahrzeug hat. Da die Bahnen in ihrer Substanz noch gut waren, fiel die Entscheidung, die 2200er zu sanieren und sie dann noch einmal 25 bis 30 Jahre bei uns einzusetzen“, erklärt der Leiter der Werkstätten Stadtbahn Juan Carlos Castro Varela.

2012 entstand der Prototyp der neu aufgebauten Bahn. „Es gab dabei für uns sehr viele Herausforderungen, die auch Zeit in Anspruch genommen haben. So waren die Anforderungen beim Brandschutz und bei der Statik ganz andere als noch vor 30 Jahren. Die neuen EU-Normen mussten berücksichtigt werden, um die Fahrzeuge wieder zulassen zu können. Zu den größten Veränderungen bei den Bahnen gehört zudem die 450 Kilo schwere Klimaanlage auf dem Dach. Wir mussten die Statik komplett neu berechnen und die Bahnen in ihrer Statik mit zusätzlichem Material verstärken.“

Lichtgitter und Erkennung
von Hundeleinen an den Türen

Auch bei den Türen gab es neue Richtlinien. Dazu zählt, dass Lichtschranken durch Lichtgitter ersetzt werden und dass es eine Erkennung für Hundeleinen gibt. Schwierig war zudem, dass nicht mehr alle Ersatzteile für den Fahrzeugtyp auf dem Markt lieferbar sind. Hier mussten funktionsgleiche, neue Systeme als Ersatz dienen. „Das hat zu Folge, dass wir das System der Bahnen neu designen mussten, denn die Ersatzteile müssen ja noch drei weitere Jahrzehnte erhältlich sein“, erklärt Casto Varela. Auch das Design im Innenraum wurde erneuert. Der Mehrzweckbereich wurde dabei den Bedürfnissen von Menschen mit Handicap im Rollstuhl besser angepasst.

„Große Herausforderungen brachte die Logistik für uns. So sind wir jetzt als KVB nicht nur Betreiber, sondern auch Fahrzeugbauer von Bahnen.“ Da müssen zum Beispiel genaue Lieferpläne mit verschiedenen Herstellern festgelegt werden. Das Know-how bei der Instandsetzung wurde auf den Fahrzeugbau ausgeweitet. „Dafür haben wir uns auch bei anderen Verkehrsbetrieben umgesehen, die deutlich mehr Personal für diese Aufgabe eingesetzt haben. Bei uns haben zwei Mitarbeiter die Arbeitsvorbereitung für das Projekt gestemmt.“

Inzwischen sind 23 der 28 Fahrzeuge der 2200er Reihe saniert. Die restlichen fünf werden bis 2020 wieder saniert auf die Schienen gebracht. Dabei spricht die Kosten-Nutzen-Rechnung für die Sanierung. „Eine neue Bahn kostet 3,4 Millionen Euro, die Sanierung 1,7 Millionen. Da liegen wir um 50 Prozent günstiger.“ 192 Tage dauert es, bis aus der alten eine neue Stadtbahn geworden ist. Zwölf Mitarbeiter umfasst eine Sanierungstruppe in der Hauptwerkstatt in Weidenpesch. „Wir achten auch darauf, dass wir die Bahnen so bauen, dass sie sich optimal warten lassen. Das gilt zum Beispiel für die Frontscheinwerfer, die nun deutlich besser für Reparaturen hinter der Frontpartie zugänglich sind.“

Teile der Arbeiten wie die Verkabelung oder die Generalsanierung der Türen werden von externen Firmen übernommen, die vor Ort in der Hauptwerkstatt arbeiten. Andere Aufgaben wie die Drehgestelle oder die Bremssysteme übernehmen die eigenen KVB-Mitarbeiter. „Da ist es wichtig, alle Gewerbe gut zu koordinieren.“ Bis zu fünf Bahnen kommen zur Sanierung gleichzeitig in die Hauptwerkstatt.

In den Bahnen wird zunächst alles ausgebaut – von den Sitzen und den Haltestangen bis zum Holzfußboden und der alten Verkabelung. Am Ende steht nur noch die nackte Karosserie in der Halle. „Das ist eine richtig harte Arbeit, die da geleistet werden muss“, sagt der Werkstättenleiter. 14 Tage dauert es, bis die alte Bahn mit einem Sandstrahler komplett gereinigt wird. Genau geprüft und aufgearbeitet werden Teile wie die Drehgestelle, die wieder zum Einsatz kommen.

192 Tage dauert die Sanierung einer alten KVB-Stadtbahn

In die gereinigten Karosserien werden von der Schweißabteilung die Verstärkungen eingebaut. Außerdem wird die Karosserie an schadhaften Stellen wieder instand gesetzt. Zu den Veränderungen gehört es auch, dass es in den neuen Bahnen nur noch einen statt wie bisher zwei Fahrerköpfe gibt. Diese werden auch neu gestaltet. „Der Grund für die Veränderung ist, dass wir beim Gewicht wegen der Belastung der Kölner Brücken maximal zehn Tonnen Last auf jeder der sechs Achsen haben dürfen. Dafür gibt es extra eine Waage hier in der Hauptwerkstatt. So können wir die Gewichte in der Bahn exakt verteilen“, sagt Castro Varela. Insgesamt wiegt eine Bahn 38 Tonnen.

Später wird die neu sanierte Bahn von einer externen Firma auf dem KVB-Gelände lackiert. „Hier haben wir eine der modernsten Lackierhallen in Europa.“ Im Anschluss wird der neue Fußboden eingebaut, alles wieder neu verkabelt und die Bahn wieder mit einer Innenverkleidung, neuen Sitzen und Haltestangen versehen. Auch die Scheiben, Trittstufen und Türen werden wieder neu eingesetzt. Die Motoren des Fahrzeugs werden von einer externen Firma generalüberholt. Neu sind dagegen zum Beispiel die Stromabnehmer und die Schienenbremsen. „Insgesamt hat jedes Fahrzeug drei Bremssysteme.“

Ist das Fahrzeug fertiggestellt, übernimmt ein externes Unternehmen dessen Endprüfung. Dazu gehört ein Statik- und ein Kabelcheck genauso wie eine dynamische Prüfung. Bevor das Fahrzeug, das über acht zusätzliche Sitzplätze verfügt, als Stadtbahn zurückkehrt, muss es zunächst in vier Wochen 2000 Testkilometer zurücklegen. Dabei können letzte Mängel noch behoben werden.

Die Hauptwerkstatt in Weidenpesch gibt es seit 1924. Sie wurde von Stararchitekt Wilhelm Riphahn entworfen, der auch für die Kölner Oper verantwortlich war. Insgesamt hat die Werkstatt 170 Mitarbeiter. Auf ihrem Gelände entsteht gerade eine Abstellanlage für 64 Stadtbahn-Züge. Zu den Aufgaben der Werkstatt zählen größere Instandsetzungen, die Reparaturen nach großen Unfällen sowie die Generaluntersuchung der Fahrzeuge. Vor Ort werden Fahrzeugteile auch selbst hergestellt.

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