Hungerstreik: Kein Körper ist perfekt

Zwei Contergan-Geschädigte und eine Angehörige verweigern seit einigen Wochen die Nahrungsaufnahme.

Rhein-Berg-Kreis. Sie fordern wirtschaftliche Sicherheit für alle Contergan-Geschädigten: Gihan Higasi, Stephan Nuding und seine Mutter Helga Nuding. Seit Mitte September befinden sich die Drei im Hungerstreik.

Neben einer Entschädigung geht es den drei Menschen auch darum, ein menschenwürdiges und selbstbestimmtes Leben führen zu dürfen. Da die Gemeinde Altenberg/Schildgen dieses Anliegen teilt, hat sie die Hungerstreikenden im Gemeindezentrum aufgenommen.

Laut Pfarrer Christoph Nötzel leben heute etwa 2800 Contergan-Geschädigte in Deutschland. Nur noch rund 400 sind erwerbstätig. Die übergroße Zahl von ihnen kann nicht am öffentlichen Leben teilnehmen.

Die Behinderungen, unter denen sie leiden, sind vielfältig: etwa 800 von ihnen leben ohne Beine, rund 2000 ohne Arme oder mit Verwachsungen der Hände und 300 ohne Arme und ohne Beine. Außerdem finden sich unter ihnen Taubstumme, Blinde und Gehörlose.

Doch die Behinderungen seien nicht das einzige Problem, mit dem die Geschädigten zu kämpfen hätten. "Über die Jahre stellen sich Nieren- und Herzerkrankungen, sowie Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes ein. Die meisten leben ständig unter großen Schmerzen", sagt Pfarrer Christoph Nötzel.

So sei es nicht hinnehmbar, dass diese Menschen nicht nur unter den Einschränkungen und Schmerzen zu leiden hätten, sondern dass ihnen auch noch die damit verbundenen hohen Kosten ohne Ausgleich aufgebürdet werden würde. Viele hätten Angst vor einem Leben im Alter in wirtschaftlicher Unsicherheit und pflegerischer Abhängigkeit.

"Die hungernden Menschen wollen niemanden erpressen. Ihr Handeln ist Ausdruck von Hilflosigkeit", sagt Nötzel. Die Kirchengemeinde begleite die hungernden Menschen diakonisch-pflegerisch und auch seelsorgerlich. Die Gemeinde versorgt sie ausreichend mit Flüssigkeit und achtet auf eine tägliche, ärztliche Versorgung.

Um das Thema noch weiter in die Öffentlichkeit zu tragen, lädt die Gemeinde heute und morgen zu einem Filmabend ein. Gezeigt wird ab 20 Uhr, im Gemeindezentrum der Andreaskirche, Voiswinkler Straße 40, "NoBody’s Perfect". Der Film von Niko von Glasow ist eine augenzwinkernde, intime Dokumentation.

"Ich wollte meine größte Angst überwinden, nämlich das Hinschauen auf meine Behinderung. Und ich wollte den Menschen einen lustigen und interessanten Film zeigen, um meine Theorie zu bestätigen, dass, wenn man längere Zeit mit Behinderten zusammen ist, sich an sie gewöhnt und nach 90 Minuten als ganz normal sieht", sagt Regisseur von Glasow.

Als er vom WDR das Angebot erhielt, lehnte Niko von Glasow erstmal ab. Schließlich willigte er indes doch noch ein. Er suchte nach elf Leidensgenossen, die selbstbewußt genug sind, sich gemeinsam mit dem Filmemacher für einen Bildband nackt fotografieren zu lassen.

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