Hunderjähriges Bestehen: Über den Dächern von Burscheid

Seit 100 Jahren gibt es den Dachdeckerbetrieb Kantelberg. Viel erinnert nicht mehr an das Berufsbild von damals.

Burscheid. Wenn Thomas Kantelberg (44) vor seinem Betrieb an der Höhestraße steht, hupen regelmäßig Autos, die an ihm vorbeifahren. „Ah, ein Kunde“, erkennt der Dachdecker und winkt. Viele Kunden wurden ihm von seinem Onkel sozusagen vererbt, und der hatte die Kunden von Kantelbergs Großvater. Das Familienunternehmen kann auf eine lange Tradition zurückblicken: Am Sonntag feiert die Dachdeckerei 100-jähriges Bestehen. Das wird bei einem Essen mit der Belegschaft gefeiert.

Gegründet hat Kantelbergs Urgroßvater Friedrich Wilhelm Kantelberg die Dachdeckerei am 1. April 1912 gemeinsam mit Walter Zimmermann, dem Großvater Eberhard Gerlachs. „Wann und warum meine und seine Familie sich dann getrennt haben, weiß ich leider gar nicht“, sagt Kantelberg.

Er selbst habe es keineswegs als Pflicht empfunden, den Familienbetrieb aufrechtzuerhalten. „Ich gehöre zu den geburtenstarken Jahrgängen. Viele meiner Schulkameraden haben nach dem Realschulabschluss keine Lehre gefunden“, erinnert sich Kantelberg. Weil sein Vater bei Goetze arbeitete, hat er sich den Betrieb angeschaut, sich dann aber für die Lehre bei seinem Onkel Friedel Kantelberg entschieden. „Ich wollte schon immer draußen arbeiten“, benennt er einen der Gründe, warum er Dachdecker geworden ist. Mit 16 Jahren machte Kantelberg die Ausbildung und die Dächer Burscheids zu seinem Arbeitsplatz. Seit 2000 leitet er den Betrieb.

Bei Altgeselle Ferdi Klein (60) hat Kantelberg selbst noch gelernt. Der Handwerker, der seit 46 Jahren im Betrieb ist, ist einer von zurzeit acht Angestellten. Zwei davon sind Lehrlinge. „Mir ist es sehr wichtig, dass wir selbst ausbilden und die jungen Menschen dann übernehmen“, sagt der Dachdecker, der die familiäre Atmosphäre in seinem Betrieb schätzt. Er kann sich auf seine Mitarbeiter verlassen. Auch seine Frau Anne Müller-Kantelberg unterstützt ihn im Büro. „Leider besteht meine Arbeit inzwischen zur Hälfte aus Schreibtischarbeit“, sagt der 44-Jährige wehmütig. Wenn er mal nicht arbeitet, fährt er gern Motorrad oder geht reiten.

Seine Leidenschaft aber ist sein Job. Während Dachdecker vor 100 Jahren nicht viel mehr als eine Handkarre, einen Schieferhammer und ein Lattenbeil für ihre Arbeit brauchten, ist der Job heutzutage sehr vielfältig. „Kein Dach ist wie das andere und unser Beruf wandelt sich immer weiter“, sagt Kantelberg. Längst macht er nicht nur Steil- und Flachdächer, sondern kümmert sich auch um Fassaden, Wärmedämmungen und baut Photovoltaikanlagen auf die Dächer seiner Kunden. „Im Trend ist zurzeit Wärmedämmung und ich denke, dass in Zukunft mehr Photovoltaikanlagen installiert werden“, schätzt der Experte, der mit seiner Auftragslage zufrieden ist. Auch die Wirtschaftskrise konnte ihm nichts anhaben — im Gegenteil. „Viele Leute haben aus Angst, dass ihr Geld nichts mehr Wert ist, ins Eigenheim investiert.“ Wenn alles so bliebe, sei er zufrieden.

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