Hühnerzucht in der Urwaldklinik

Der Burscheider Arzt Bernhard Rappert hat wieder das Hilfsprojekt des Freundeskreises Indianerhilfe in Peru besucht. Früher ging es um Medizin, heute um Ernährungssicherung.

Burscheid. Für die Urwaldklinik am Rio Chambira im peruanischen Amazonasgebiet war es ein Meilenstein: Bei seinem jüngsten Besuch traf sich der Burscheider Arzt Bernhard Rappert, zugleich Vorsitzender des Freundeskreises Indianerhilfe (FKI), in der regionalen Hauptstadt Iquitos mit dem Chef der peruanischen Gesundheitsbehörde. Seither ist die vor 18 Jahren vom Verein aufgebaute Klinik ein staatliches Projekt.

„Es gibt einen Kostenrahmen zur Finanzierung von Personal, Benzin und Medikamenten“, sagt Rappert. Für ihn ist mit der Vereinbarung ein großes Etappenziel erreicht. Aber er weiß auch: „Die Unterzeichnung des Vertrags ist das eine, die Verwirklichung das andere.“ Für den Verein bedeutet das: „Die nächsten zwei Jahre werden wir noch dort bleiben.“

Dass der Staat trotz guten Willens und guter Pläne nicht immer in der Lage ist, die Probleme in den Griff zu bekommen, hat sich erst gerade wieder bei der großen Malariawelle gezeigt. Am Ende fehlte das Benzin, um die entlegenen Dörfer der Urarina-Indianer zu erreichen. „Ohne unsere Hilfe hätten sie das nicht geschafft.“

Auch der Kindergarten, der vom Verein auf dem Klinikgelände aufgebaut worden war, um für die Kinder aus den Indianerdörfern eine warme Mahlzeit pro Tag mit einem Bildungsangebot zu verknüpfen, ist ein eher trauriges Beispiel. Inzwischen wurde er in staatliche Hände überführt und in ein Nachbardorf verlegt.

Aber die zwei staatlichen Kindergärtnerinnen sind kaum da. Beispielsweise sind sie allein fünf Tage unterwegs, um ihren Lohn abzuholen. Im Grunde gibt es den Kindergarten derzeit nicht mehr. „Und das Interesse der Eltern ist nicht so, wie wir es erwarten. Hier würden die Eltern auf die Barrikaden gehen, aber dort ist es ihnen egal. Im Gegenteil: Es ist ihnen lieber, wenn die Kinder im Haus helfen.“

Das sind die mühseligen und mitunter auch frustrierenden Erfahrungen im jahrzehntelangen Kampf um die Zukunft der indigenen Völker im Amazonasgebiet. „Wir machen uns Sorgen um sie, sie machen sich keine“, sagt Rappert.

Dabei rücken den Indianern nicht nur die Krankheiten der Zivilisation näher und näher, was ursprünglich ein Ansatz für die Gründung der Klinik Tucunaré war. Auch ihre traditionellen Ernährungsformen geraten in Gefahr. „Die Urarinas waren Jäger und Sammler. Aber das funktioniert am Amazonas nicht mehr. Der Fluss ist abgefischt, mit Gewehren werden die Tiere eher vertrieben als früher mit Blasrohren.“

Darum rückt für den Verein mehr und mehr die Ernährungssicherung als weiterer Schwerpunkt in den Blick. Auf dem Klinikgelände ist inzwischen versuchsweise eine Hühnerzucht entstanden. Mit neuen Problemen: Um die Tiere zu ernähren, muss Mais angebaut werden. Ein Großteil davon wurde aber bei der jüngsten Überschwemmung wieder zerstört.

Inzwischen ist ein peruanischer Agrarwissenschaftler fest angestellt. Er widmet sich auch der Idee, in der Region den Kakaoanbau voranzutreiben. Die Idee stammt von Max Druschke, dem Vorsitzenden des peruanischen FKI-Zweigs. Er produziert in einer anderen Region inzwischen mit Indianern sogar eine eigene Schokolade. Ein Vertrieb ist gerade im Aufbau.

Für Rappert ist die Ernährungsfrage das entscheidende Thema der Zukunft. Einer Zukunft, die sich auch der kleine Moses erst noch erkämpfen muss. Der kleine Junge, vielleicht vier oder fünf Jahre alt, war von seiner Urarina-Mutter nach der Trennung vom Vater in einem der Dörfer einfach zurückgelassen worden. Er hat sich durchgeschlagen, mal hier, mal dort geschlafen, bis ihn die Köchin der Klinik bei sich aufgenommen hat. „Und so etwas“, sagt Rappert, „ist dort durchaus üblich.“ Es bleibt noch viel zu tun.

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