Gnadenhochzeit: Die beständigste Ehe der Stadt

Kurt Ott und Ehefrau Gertrud haben sich am Freitag vor 70 Jahren das Jawort gegeben. Akzeptanz ist für sie das Geheimnis ihrer Beziehung.

Burscheid. 1937. Kurt Otts Eltern haben eingeladen. Unter den Gästen ist auch seine spätere Frau Gertrud Ott. Irgendwann finden sich die jungen Leute auf der Tanzfläche wieder, irgendwann küssen sie sich. "Ganz kurz nur", erinnert sich Gertrud Ott heute. "Ich konnte das gar nicht fassen."

Kurt Ott und Gertrud Ott sehen sich nach diesem Tag häufig, unternehmen viel gemeinsam. "Wir waren eigentlich immer zusammen." Die Liebe entwickelt sich. 1939 verlobt sich das junge Paar. 1940, nachdem der Krieg ausgebrochen ist, sagt Ott: "Jetzt müssen wir heiraten."

Sie heiraten im Rathaus von Kolberg in Hinterpommern. 70 Jahre ist das am Freitag her - derzeit die beständigste Ehe in der Stadt. 70 Jahre, die Kurt Ott und Frau Gertrud gemeinsam verbracht haben. Wie sie es all die Zeit miteinander ausgehalten haben? "Ganz einfach", sagt der 95-Jährige und blickt seine Frau an. "Wir akzeptieren uns."

1940 wird Eisenbahner Ott eingezogen und sagt: "Ich lassen dich nicht alleine zurück." Tatsächlich bekommt Gertrud Ott noch im selben Jahr Zwillinge, zwei Mädchen. Es sind schreckliche Jahre, die folgen, Kriegsjahre. Ihren Vater werden die Zwillinge selten sehen. Gertrud Ott wartet darauf, dass ihr Mann aus dem Krieg zurückkehrt: "Ich habe mich jeden Tag gefragt, wann er wohl endlich nach Hause kommt."

1945 müssen Gertrud Ott und ihre Töchter Hinterpommern verlassen, sie flüchten nach Salzwedel. Kurt Ott gerät in Kriegsgefangenschaft, die Eheleute verlieren den Kontakt. Erst 1947 finden sie sich wieder. Kurt Ott entscheidet sich, zu seiner Frau nach Salzwedel zu ziehen. Der Sohn wird geboren.

Doch das Glück hält nur kurz. Eine Heimat findet die Familie in Salzwedel nicht. Die Stadt liegt in der Ostzone, der späteren DDR. 1951 flieht Ott in den Westen, bereitet alles dafür vor, die Familie nachzuholen.

Auch Gertrud Ott gelingt die Flucht in den Westen, nahe dem Berliner Zoo. In Burscheid wagt die Familie den Neuanfang - und fühlt sich schnell heimisch. 1960 wählen die Burscheider Kurt Ott zu ihrem Bürgermeister. Neun Jahre lang kümmert er sich um die Geschicke der Stadt. Seine Frau, gelernte Stenotypistin, unterstützt ihn, tippt ihrem Mann die Reden ins Reine.

Noch ein Grund für eine gute Ehe, sagt Ott: "Wichtig ist, aufeinander Rücksicht zu nehmen." Das Ehepaar pflegt gemeinsame Hobbys, reist viel. "Ich war Eisenbahner, bin aber immer gerne Auto gefahren", sagt Ott und lacht. Als Eisenbahner habe er anfangs wenig verdient. Seiner Frau habe das nichts ausgemacht, sie habe ihn trotzdem heiraten wollen. "Und sie war ein schöne, junge Frau."

Ehefrau Gertrud lächelt. "Nein, übers Geld habe ich nie nachgedacht", erinnert sich die 89-Jährige und stupst ihren Mann in die Seite.

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