Gelungenes Wagnis mit gegensätzlichen Gefühlswelten

Kantorei und Chorgemeinschaft zeigen eine bewegende Leistung bei der Aufführung von Mozarts Requiem.

Burscheid. Kann man ein Divertimento (= gehobene Unterhaltungsmusik) in einem Konzert verbinden mit Mozarts Requiem? Wenn das Divertimento auch von Mozart stammt, in dessen Werken Trauer und Freude so oft nahe beieinander liegen, ist es kein Tabubruch.

Evangelische Kantorei und Chorgemeinschaft haben das Wagnis unternommen und das berühmteste Divertimento Mozarts (in D-Dur) an den Anfang des 130. Konzertes im Rahmen der „Klangwege“ gesetzt. Mit dem Deutschen Radiokammerorchester hatte Silke Hamburger ideale Interpreten für diese musikalische Kostbarkeit gewonnen.

Das strömte so klangfroh und fröhlich daher, dass der Sprung zum Requiem nur gelingen konnte, weil als Bindeglied „Kol Nidrei“, ein Werk von Max Bruch (1838—1920), zwischengeschaltet wurde. Dem Werk liegt eine Melodie zugrunde, die vor der jüdischen Liturgie am Vorabend des Jom Kippur (Versöhnungstag) dreimal gesungen wird. Joanna Sachryn (Cello) gab sich, dezent vom Orchester begleitet, mit leidenschaftlichem Engagement den romantischen Tönen hin, weckte ungewöhnliche Klangwelten ihres Instruments. Langer Beifall lohnte ihre Interpretation. Auf eine Zugabe musste sie ungewollt verzichten, weil kleine Umbauarbeiten für die Aufführung des Hauptwerkes des Abends notwendig waren. Schade.

Die Sängerinnen und Sänger hatten nun lange genug auf ihren Auftritt warten müssen. Was Wunder, dass sie sich mit Verve in die erste Strophe des Requiems stürzten und somit gleich zu Beginn deutlich machten, dass in Silke Hamburgers Interpretation das Werk weniger eine Totenklage als ein inniges bis drängendes Gebet um die ewige Ruhe der Verstorbenen wird.

Der für die Akustik der evangelischen Kirche übergroße Chor explodierte fast im „Dies irae“ (Tag des Zornes), konnte aber auch zart und überirdisch klingen wie im „Salva me“ (Rette mich). In den großen Fugen bewies er musikalische und technische Leichtigkeit, in den innigen Chören homogene Gesangskultur, in dem trotzigen „quam olim Abrahae promisisti“ (Wie du einst Abraham versprochen hast) überzeugende Eindringlichkeit.

Alles in allem eine hervorragende, bewegende Leistung. Die Solisten Birte Hopstein (Sopran), Franziska Orendi (Alt), der denkbar kurzfristig für Wolfgang Klose eingesprungene Tenor Florian Simson von der Deutschen Oper am Rhein sowie Sebastian Voges (Bass) fügten sich mit dem Schmelz ihrer schönen Stimmen hervorragend in das Interpretationskonzept ein.

Nach dem hoffnungsvollen Chor-Schlussvers „quia pius es“ (Denn du bist gütig), hätte man sich gerne noch ein paar Minuten des Nachsinnens gegönnt, bis der überaus herzliche und verdiente Beifall einsetzte.

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