FM: „Es geht um jeden Einzelnen“

Einige Mitarbeiter kritisieren die Einigung, andere haben Verständnis. Angst um seinen Arbeitsplatz hat fast jeder.

Burscheid. An den Eingangstoren von Werk 2 herrscht Ratlosigkeit. "Man kommt hier hin und niemand sagt uns, was los ist", kritisiert Murat Amiri. Der 29-Jährige ist Industriemechaniker bei Federal-Mogul und wie ein Großteil der Belegschaft vom geplanten Arbeitsplatzabbau zutiefst verunsichert. Vom Verhandlungsergebnis, das Freitagmittag feststand, hat er aus der Zeitung erfahren: "Die Kommunikation mit dem Betriebsrat funktioniert überhaupt nicht", sagt er.

Wie es weitergeht, wer von den Stellenstreichungen betroffen ist, weiß an diesem Montagnachmittag niemand. Es ist der erste Arbeitstag, nachdem die Nachricht von der Einigung zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat die Runde machte: Wie berichtet, sollen bis Ende Juli zunächst 170 Stellen abgebaut werden, bis Ende März 2010 weitere 100. Vor der Kündigung gibt es Angebote, freiwillig aufzuhören oder in eine Transfergesellschaft zu wechseln.

Murat Amiri sagt, er sei zunächst einmal froh, dass es überhaupt eine Einigung gibt. Was sie ihm persönlich bringt, kann er jedoch nicht abschätzen. Er ist verheiratet, hat eine kleine Tochter. Mit einer Weiterbildung in einer Transfergesellschaft könne er nicht viel anfangen, sagt er.

"Das nützt mir gar nichts", sagt auch ein 26-Jähriger, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Er ist seit fünf Jahren im Unternehmen. Das Verhandlungsergebnis sei zwar halbwegs akzeptabel, aber für ihn als Familienvater komme ein freiwilliges Ausscheiden nicht infrage.

"Vor allem die jüngeren Kollegen machen sich große Sorgen", sagt Frank Hormann, der seit 25 Jahren bei Federal-Mogul arbeitet. Die Abfindungsangebote und die Transfergesellschaft seien schon "ein Trostpflaster", aber er wirft auch die Frage auf, warum der Stellenabbau überhaupt in dem Maße nötig ist. "Warum versucht man es nicht weiter mit Kurzarbeit?"

Auch Thomas Mrochen sagt, dass eigentlich genug Arbeit da sei. "Jetzt ist jeder hier nervös." Ein Kollege, der anonym bleiben möchte, bezeichnet auch die Abfindungen als nicht besonders üppig.

Ist das Verhandlungsergebnis angemessen? Oder hätte die Zahl der Stellenstreichungen noch verringert werden können? Viele der Beschäftigten zeigen offenbar Verständnis. "In diesen Zeiten ist es ja überall bescheiden", sagt eine Mitarbeiterin, die seit mehr als 20 Jahren bei Federal-Mogul beschäftigt ist. Noch sei es zu früh, um den Wert der Einigung abschätzen zu können - bitter sei es in jedem Fall: "Es geht um jeden Einzelnen. Keiner weiß, ob er bleiben kann. Und was bleibt uns unterm Strich?"

Die Stimmung im Betrieb - dementsprechend "eine Katastrophe", wie Bahri Yildrim schildert. Seit zehn Jahren ist er bei Federal-Mogul, aber ob er damit gute Karten hat - "wer weiß?" Yildrim hat ein Haus abzubezahlen, "da kann ich nicht freiwillig aufhören", sagt der 46-Jährige.

Ladislav Vokalek geht dagegen bald in Frührente - allerdings nicht im Zuge der aktuellen Krise, "das habe ich noch in guten Zeiten vereinbart". Die Anspannung bei der täglichen Arbeit bekommt er natürlich trotzdem mit: "Alle haben jetzt große Angst."

Murat Amiri macht sich auf dem Weg zum Werkstor - Schichtwechsel: Seine Arbeit beginnt. "Ich gehe jetzt ins Ungewisse."

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