Familienausflug in den Barock

Mit kostbaren Gewändern tauchen Torsten und Mareike Steffens immer wieder ab in das höfische Leben.

Burscheid. Die Zeitreise ist ein alter Menschheitstraum: in eine andere Rolle schlüpfen, ein anderes Gewand, eine andere Zeit. Torsten und Mareike Steffens erfüllen sich diesen Traum immer wieder. Und ab und an nehmen sie auch ihre Kinder mit auf die Reise: Aron Jonathan (8), Elisa Victoria (6) und Cora Alana (4). Ziel des Familienausflugs kann mal das Mittelalter sein, mal die Renaissance, aber auch der Barock und das Rokoko.

Die Wurzeln dieser Leidenschaft liegen teils in der Nähe, teils in der Ferne. Als eine Freundin ihn Ende der 90er Jahre mit auf Schloss Burg nimmt und dabei auffordert, „etwas Mittelalterliches anzuziehen“, findet sich Torsten Steffens unversehens als Statist in den Ritterspielen der Bergischen Ritterschaft wieder.

Schon ein Jahr später übernimmt er die Rolle des Zauberers Merlin, erlernt das Feuerspucken und -schlucken sowie die Pyrotechnik. Das Fechten, Schwert- und Stockkampf ergänzen sein Repertoire. Und weil er wie seine heutige Frau das Tanzen liebt, gehören historische Tänze mit zum Programm der Mittelalterspiele, die die beiden von 2006 bis 2008 für den Grünscheider Hof in Burscheid ausrichten.

Aber da gibt es auch noch die barocken Wurzeln, und sie reichen bis nach Venedig. Ebenfalls Ende der 90er Jahre besucht Steffens zum ersten Mal den dortigen Karneval. „Dort habe ich gesehen, dass es Menschen gibt, die die Barockzeit pflegen und Ahnung davon haben.“

Inzwischen kann sich der gebürtige Witzheldener mit engen familiären Verbindungen nach Burscheid (unter anderem zum Hotel Steffens in Hilgen-Heide) gemeinsam mit seiner Frau Mareike (30) getrost selbst zu diesem Personenkreis zählen. Zuletzt waren sie im September bei der Zeitreise zum 500-jährigen Bestehen Hilgens in der Max-Siebold-Halle zu erleben. Dafür hatte Steffens (36) seiner Patentante Waltraud Küpper manches Kostüm angefertigt und war zudem in die Rolle des Kurfürsten Carl Theodor von der Pfalz geschlüpft.

Mehrfach im Jahr sind die Eheleute Steffens zudem Teil einer Szene, die bis ins Detail darauf achtet, dass ihre höfischen Bälle historisch korrekt sind. Im November war das beim barocken Maskenball auf Schloss Engers wieder der Fall. „Das ist ein sehr perfekter Ball, bei dem selbst die Verköstigung funktioniert, die sonst bei den Gewändern immer ein Problem ist“, erzählt Torsten Steffens.

Gewänder, in denen neben viel Geld vor allem viel Zeit und Liebe steckt. Wer nicht einen der wenigen guten Gewandmeister bezahlen kann, muss selbst schneidern. Für das jüngste Kleid von Mareike Steffens waren zwei Wochen Urlaub mit Achtstundentagen an der Nähmaschine nötig. Allein drei Verschlussmechanismen sorgen für den richtigen Sitz.

Ein Sitz, der eine andere Körperhaltung und Bewegung erfordert. „Man muss lernen, im Kleid zu gehen“, sagt der gelernte Bankkaufmann und heutige Wüstenrot-Verkaufsleiter. „Und für uns beide ist das Tanzen für das Gemeinschaftsgefühl ganz wichtig.“

Wer will, kann bei den Bällen aber nicht nur durch die Kleidung, sondern auch im Spiel der Vergangenheit nachspüren. „Sie bewohnen und beleben ein Schloss für einen ganzen Tag und eine ganze Nacht. Und wenn Sie im Spiel sind, dann werden Sie irgendwann ganz entspannt und gelöst.“ Es entsteht das beglückende Gefühl, am Ziel der der Zeitreise angekommen zu sein. „Sie gucken in den Saal und denken: Ja, so hätte es sein können.“

Dass Torsten Steffens seiner heutigen Frau 2003 den Heiratsantrag während des Sonnenballs auf Schloss Nischwitz bei Leipzig machte, dass die beiden dann auf der Burg Satzvey im mittelalterlichen Stil standesamtlich getraut wurden und für die kirchliche Hochzeit den Barocksaal von Haus Friedrichsbad in Schwelm wählten, scheint fast schon selbstverständlich.

Aber bei all den Zeitreisen ist Steffens die Rückfahrkarte wichtig. Wirklich in der Vergangenheit zu leben, ist ihm nie in den Sinn gekommen. „Das Leben damals war nur toll, wenn man zur Obrigkeit gehörte. Und dann diese Hofintrigen . . .“ Er winkt lachend ab. „Viel zu anstrengend.“

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