„Essen auf Rädern“: Grünkohl, Pudding und ein Lächeln

Die Nachfrage beim „Essen auf Rädern“ der Awo ist stark gestiegen. Mittlerweile musste ein neues Auto her.

Burscheid. In 62 Burscheider Haushalten ist das Essen nicht dann fertig, wenn Mutter aus der Küche ruft, sondern wenn es an der Tür klingelt. Zwischen 8.45 Uhr und 13 Uhr erwarten die vor allem älteren Kunden ihre dampfende Mahlzeit von der Arbeiterwohlfahrt (Awo). 4,90 Euro kostet der Bringdienst, der neben dem Hauptgericht auch eine Vorspeise und ein Dessert liefert.

Vielleicht sogar wertvoller als das Essen ist aber etwas anderes. Wolfgang Brost, Vorsitzender der Awo, erklärt: „In manchen Fällen sind unsere Fahrerinnen die einzigen Menschen, die unsere Kunden während des Tages sehen und mit denen sie sich austauschen.“ Daher sei es besonders wichtig, dass noch Zeit für ein freundliches Wort und Lächeln bleibe.

Das war in der Vergangenheit nicht immer leicht, denn die Anzahl der Essen ist innerhalb von zwei Jahren sprungartig von 38 auf 62 angestiegen. Brost erklärt die Trendwende: „Das hängt sicherlich mit dem demografischen Faktor zusammen.“ Und jeder Mensch wolle eben generell so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben. Zudem habe die Awo für den Fahrdienst Werbung betrieben.

Der Ansturm war für die Awo mit einem Auto nicht mehr vernünftig zu bewältigen, schließlich wollen die meisten älteren Menschen nicht erst um 14 Uhr zu Mittag essen. Daher hat der Wohlfahrtsverband jetzt in einen neuen Wagen investiert und eine dritte Fahrerin eingestellt.

Heike Steiner heißt die neue Kollegin, die das Team aus Thekla Heimann und Silvia Grunert künftig verstärkt. Heimann macht den Job schon seit 23 Jahren und Grunert ist in die Fußstapfen ihrer Mutter getreten: „Sie war 27 Jahre lang dabei, dann ging sie in Rente und ich bin nachgerückt.“

Die Frauen wissen genau, was sich Senioren zum Mittag wünschen. Einer der Renner sei Grünkohl. „Hausmannskost ist sehr beliebt“, sagt Grunert. Bei einer jüngsten Befragung aller Kunden stellte sich laut Brost heraus, dass alle Kunden sehr zufrieden mit Essen und Preis-Leistungs-Verhältnis seien — nur eine Anregung habe es gegeben: „Ältere Burscheiderinnen wollten mehr heimisches Gemüse haben. Etwa Rübstiel.“

Das soll nun künftig auch ins Angebot aufgenommen werden. Das Essen wird im Alten Landhaus an der B 51 zubereitet. Das war nicht immer so. Das Angebot in Burscheid gibt es schon seit 40 Jahren, erst seit 1992/93 wird es auch vor Ort zubereitet. Margret Vogel, seit 1991 Organisatorin des Essens auf Rädern, erinnert sich: „Ganz früher wurde noch in Wuppertal gekocht, später in Krefeld.“ Umständlich mussten die Fahrerinnen die Mahlzeiten von einer Übergabestelle in Opladen abholen. Brost: „Und das in einer Zeit, wo es noch keine Mikrowellen gab.“

Wer sich von der Awo sättigen lässt, ist im Schnitt 75 Jahre alt. Der älteste Kunde ist 98, es gibt aber auch Burscheider Ende 40, die das günstige Angebot schätzen. Denn jeder kann sich von Heimann, Grunert und Steiner das Essen bringen lassen — lediglich eine Anmeldung zwei Tage vor der ersten Bestellung ist notwendig (Telefon 6 41 78).

Die Awo wünscht sich jetzt, wo das zweite Auto da ist, selbstredend einen noch größeren Kundenstamm. Das Zusatzfahrzeug wurde von der Arbeiterwohlfahrt selbst finanziert, die Fahrerinnen werden bezahlt. Wirtschaftlich perfekt wäre jetzt laut Brost eine Auftragslage von 80 Essen am Tag. Schafft der Verband es nicht, weiter zu expandieren, wird der Preis für den Dienst zwangsläufig steigen.

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