Erster Brückenschlag nach dem Krieg

1954 besuchte eine Gruppe englischer Schülerinnen Burscheid. Jetzt sind sie ein zweites Mal in der Stadt.

Burscheid. Gruppenfoto vor der Redaktion. 56 Jahre ist es her, dass 30 Schülerinnen aus der südostenglischen Grafschaft Kent die Stadt Burscheid besuchten. Nun sind sieben von ihnen wieder da. Marlies Zimmermann und Pat Stevens sind im Laufe der Jahre in Kontakt geblieben und haben nach über einem halben Jahrhundert erneut eine Begegnung organisiert. Eine lange Zeit, in der auch die Stadt ihr Gesicht verändert hat.

Die gute Laune ist geblieben. Kichernd posieren die Seniorinnen fürs Erinnerungsfoto. Sie hätten sich alle sofort wiedererkannt, berichten sie. "Und genau hier habe ich damals gelebt", erinnert sich die 72-jährige Stevens. "Bei meiner Schreibfreundin Marlies." Im ersten Stock des heutigen Redaktionsgebäudes. Damals seien die Schornsteine der Rader-Fabrik noch weithin sichtbar gewesen, auch das Kriegerdenkmal habe noch in der Kirchenkurve gestanden. "Aber sonst ...", überlegt Stevens. "Nein, die Häuser an dieser Ecke sehen fast aus wie früher. It’s a lovely place."

Der Krieg ist noch nicht lange vorbei, als die Schülerinnen der Rochester Grammer School 1954 ihre Altersgenossinnen des Pastor-Löh-Gymnasiums besuchen. Es ist die erste englische Schule überhaupt, die an einem solchen Austausch teilnimmt. Für die 30 Mädchen, sie sind damals um die 15 Jahre alt, ist die Reise ein Abenteuer.

13 Stunden sind sie unterwegs, setzen mit dem Schiff nach Ostende über und besteigen dort den Zug Richtung Burscheid. "Das war schrecklich", sagt Stevens. Die Plätze im dritten Abteil waren aus Holz gefertigt und unbequem. Anders die Ausflüge im Bus nach Düsseldorf oder Köln oder die vielen Wanderungen im Burscheider Umland. "Das war toll." Im Autobus hätten sie Volkslieder gesungen. "Erinnert ihr euch?" Ja, die Frauen erinnern sich und stimmen eines der Lieder an. Der Text ist auch nach all den Jahren noch präsent.

Überhaupt sei ihnen die Verständigung damals leicht gefallen. Ihren Eltern fiel die Kommunikation schwerer. So sorgte das Kompliment einer Mutter für Verwirrung. Sie hatte statt der schönen Augen (eyes) die Eier (eggs) eines Mädchens gelobt. "Erinnert ihr euch?" Ja, die Frauen erinnern sich.

Für die englischen Schülerinnen ist damals vieles neu. Zum Beispiel, dass Jungen und Mädchen dieselbe Schule besuchen. Oder der Wein, den der Großvater von Marlies Zimmermann selbst keltert und der Stevens ihren ersten Schwips beschert. Oder die Waffeln, die sie am Nachmittag serviert bekommen: "Großartig."

Kaffe und Kuchen sind auch am Samstag fest eingeplant. Doch vorerst schlendern die Frauen durch die Innenstadt, über die alten Gleise, auf denen damals noch Züge fuhren, zum Rathaus. Die Bilder im Treppenhaus, aufgenommen Anfang des 20. Jahrhunderts, erinnern sie an 1954. "Ja, genau so sah es damals noch aus", sagen die Frauen und klingen sehr zufrieden.

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