Ein roter Teppich für die Kunst

Abraham-Karawane: Vier Wochen reiste der „Engel der Kulturen“ durch sieben Länder und legte dabei 7000 Kilometer zurück.

Burscheid. Dass Kreativität Probleme lösen kann, haben die Burscheider Künstler Gregor Merten und Carmen Dietrich bei ihrem Kunstprojekt "Engel der Kulturen" erfahren, dass sie durch sieben Länder und 14 Städte führte. So, als sie in Istanbul erfuhren, dass ein Kunstwerk, das religiöse Symbole andeutet, nicht den Boden berühren darf. Damit wäre die Idee, die radförmige Skulptur als verbindendes Element zwischen den europäischen Kulturstädten durch die Metropole am Bosporus zu rollen, fast gescheitert.

"Ich hatte aber schnell eine Idee und bin losgefahren, um zwei Bahnen roten Teppich zu kaufen, auf denen wir das Rad mit dem Segen der Verantwortlichen auf dem Boden rollen durften", erinnert sich Merten. So ging es zuerst Richtung Hafen, wo direkt die nächste Hürde auf die Abraham-Karawane zukam. "Dort haben wir erfahren, dass von hier kein Schiff zur asiatischen Seite fährt", sagt Merten, der ein Wassertaxi organisiert und mit viel Mühe die Skulptur darin unterbringt. Aussichtslos erscheint auch der Plan am nächsten Tag, zehn Kilometer durch die Innenstadt Istanbuls zu rollern. "Das hätten wir nie geschafft. Deshalb haben wir den Teppich einfach auf das Rad geklebt und sind ganz leise durch die Stadt gerollt", erklärt Merten.

Auch wenn die Karawane mit allen Religionen in Istanbul in Kontakt kommt, schaffen es die Künstler aber nicht, alle am "Engel der Kulturen" zusammenzubringen. Trotzdem erleben Zehntausende die Aktion. "Dabei haben wir wir auf der gesamten Reise nur positive Reaktionen erlebt. Die Menschen waren sehr offen für unser Projekt", sagt Dietrich.

Einen besonderen Eindruck hat bei den beiden Künstlern der Besuch der bosnischen Hauptstadt Sarajewo hinterlassen. "Das war einer der Höhepunkte der Reise, der uns besonders berührt hat", betont Merten. Vor allem die Mischen zwischen den österreichischen Prachtbauten und den orientalischen Vierteln mit ihren Basaren und Moscheen hat die Burscheider beeindruckt.

"Man sieht in der Stadt überall noch die Wunden des Krieges. Wenn man vom Talkessel hinauf in die Berge guckt, weiß man, dass damals dort die Scharfschützen lagen und auf die Menschen geschossen haben", sagt Dietrich. Der Krieg sei in den 90er Jahren schrecklich gewesen, vor allem weil man von Deutschland aus überhaupt nichts dagegen tun konnte. "Das ist ein Gebiet, das man vom Urlaub gut kennt und das plötzlich in einen Krieg versinkt, in dem sich Nachbarn gegenseitig umbringen", erklärt Merten, warum ihm der Besuch so wichtig war.

Dabei haben die Gäste positiv die weltoffene Art in der Stadt bemerkt, die langsam neue Ansätze der Verständigung unter den Religionen aufbaut. "Es gibt jüdische, muslimische und christliche Schüler, die sich treffen, um die jeweils anderen Gotteshäuser zu besuchen", berichtet Merten. Es sei die einzige Stadt gewesen, in der sich alle Religionen zusammen auf das Projekt eingelassen hätten.

Zu den besonderen Erfahrungen der Reise gehört neben dem Besuch der Kulturhauptstädte Istanbul und Pécs auch die Reise ins mazedonische Skopje, wo die Künstler mit ihrer Delegation ein Stadtviertel kennengelernt haben, in dem 40000 Roma auf engstem Raum ärmlich zusammenleben. "Das war sehr bedrückend, so stelle ich mir das Leben in Gaza vor", sagt Merten. Beeindruckend sei trotzdem die ungeheure Lebensfreude der Menschen gewesen. "Wir haben ein Schule besucht. Das war ein Fest, wie wir es selten erlebt haben. Jedes der Kinder wollte unbedingt das Rad einmal berühren", erinnert sich Dietrich. Ihre Reisen wollen die beiden auf jeden Fall fortsetzen. Merten: "Es tut Not, mit so einem Projekt auch weiterhin die imaginieren Trennungslinien zwischen den Menschen zu verschieben."

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