Ein Kindergarten fürs Überleben

Freundeskreis Indianerhilfe: Im Regenwald von Peru werden Indianerkinder auf die näherrückende Zivilisation vorbereitet.

Burscheid. Vielleicht eine halbe Stunde ist das Boot Morgen für Morgen unterwegs auf dem Rio Chambira. An den in der Trockenzeit steilen Ufern werden die Kinder der Urarinas eingesammelt, eines Indianervolkes im Norden von Peru, dessen an Vogelgezwitscher erinnernde Sprache zu den wenigen nicht klassifizierten gehört. Dann steuert das Boot den Kindergarten an, der vor einem halben Jahr auf dem Gelände der Urwaldklinik Tucunaré eröffnet wurde. Ein Kindergarten für Ureinwohner - ist das wirklich wichtig? Sogar überlebenswichtig, ist Bernhard Rappert überzeugt.

Der Leverkusener Kardiologe mit Wohnsitz in Burscheid ist seit 13 Jahren Vorsitzender des Freundeskreises Indianerhilfe (FKI), dessen wichtigstes Projekt die Klinik ist. "Die Urarinas schaffen es nicht zu überleben, wenn sie nicht Spanisch lernen", sagt er. Denn die Zivilisation rückt näher. "Die Region ist Erdölsuchgebiet. Drei Stunden Fußmarsch von der Klinik entfernt haben wir eine alte Bohrstelle gefunden."

Also hat der FKI seinen Beitrag zum Überlebenskampf der Urarinas erweitert. Seit zwölf Jahren schon zählen Impfungen gegen die eingeschleppten Krankheiten und die Ausbildung einheimischer Gesundheitshelfer zu den Schwerpunkten der Arbeit am Rio Chambira. Seit März ist der Albert-Schweitzer-Kindergarten dazugekommen. 31 Kinder erhalten dort nicht nur Basiswissen und Spanischkenntnisse, sondern auch einmal am Tag eine warme Mahlzeit.

Möglich wurde das Projekt auch durch die erstmalige finanzielle Unterstützung des Bundesentwicklungsministeriums. 36000 Euro flossen von dort in den Neubau, den Rest der Kosten von rund 70000 Euro trägt der Verein, ebenso den weiteren Unterhalt.

Derzeit sorgen eine deutsche Lehrerin, eine peruanische Kindergärtnerin und ein 15-jähriges Urarina-Mädchen als Helferin für den täglichen Betrieb. "Wir hoffen, dass der peruanische Staat den Kindergarten in zwei Jahren übernimmt", sagt Rappert.

Um zu begreifen, welche Kraftanstrengung mit dem Neubau verbunden war, reicht es schon, den Weg der Materialien zu schildern: Vier Tage brauchten Lkws, um drei Tonnen Material von der Hauptstadt Lima nach Pucallpa am Rio Ucayali zu transportieren, neben dem Marañón einer der beiden Quellflüsse des Amazonas. Von dort wurden 14 Tonnen auf dem Flussweg in Richtung Iquitos geschickt. Nach einer Woche waren sie am Ziel. Doch erst drei Tage später hatte das Material auch das Klinikgelände erreicht.

Anstrengungen, die auch Bernhard Rappert Jahr für Jahr auf sich nimmt, wenn er die Projekte des Vereins besucht - zuletzt wieder für drei Wochen im Juli. Klinik und Kindergarten machen zwar nur einen Teil der FKI-Aktivitäten aus. Aber den Neubau in Tucunaré feiert der Vorsitzende als Meilenstein - auch wegen geschlossenen Toilettenanlage, der die häufigen Überschwemmungen nichts mehr anhaben können.

Und er freut sich über die Nachwuchskräfte, die sich immer wieder bereitfinden, eine Zeit vor Ort zu arbeiten. Derzeit sind es die jungen Ärzte Jan Schnappauf und Daniel Peter, die in der Klinik arbeiten und bei ihren Impftouren oft Tage auf dem Fluss zubringen. "Es ist schön, dass es Leute gibt, die sich so engagieren."

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