Ein Einhorn namens Liesl

Am Tanzbrunnen trafen sich am Wochenende die Anhänger der schwarzen Szene. In ihr Outfit investieren die Besucher reichlich Zeit.

Köln. Liesl ist beim Amphi Festival am Tanzbrunnen der Hingucker. Das liegt auch daran, dass das Einhorn ein rosa Fell hat und sich so von den anderen, meist ganz in Schwarz gekleideten Besuchern, deutlich unterscheidet. Nur das schwarze Nietenhalsband verrät, worauf das Stofftier wirklich steht. Es gehört Bäckermeister Martin Simmermann, der aus dem Saarland zum Kölner Tanzbrunnen gekommen ist. „Liesl habe ich durch Zufall entdeckt. Das erste Mal war sie beim Hexentanzfest bei uns im Saarland dabei. Sie ist sehr beliebt, wird geknuddelt und oft fotografiert.“

Und Liesl ist nicht das Einzige, mit dem der Saarländer auffällt. Denn Simmermann ist mit einer echten bayerischen Lederhose unterwegs. „Die habe ich mir für unser Oktoberfest gekauft und sie später auch bei den Festivals getragen. Sie ist bequem und im Vergleich zu einer schwarzen Hose komplett unempfindlich, was Schmutz angeht.“

Mit einem ganzen Wohnmobil voller Klamotten ist Wolf Elscheid aus Ostwestfalen angereist, um sein neuntes Amphi zu erleben. „Ich kombiniere die Sachen immer so, wie es mir gerade gefällt. Heute habe ich viele weiße Sachen an, denn Weiß ist das neue Schwarz. Das weiß ich auch durch meine Arbeit als Bestatter. Ich kümmere mich um spezielle Beerdigungen für Fans der Gothic-, Punk- oder der Metalszene. Außerdem restauriere ich Oldtimer und habe noch einen Antikladen“, berichtet Elscheid.

Ein Einhorn namens Liesl
Foto: Stephan Eppinger

Das Amphi schätzt er als Festival sehr: „Man fährt nur zwei Stunden, hört gute Musik und trifft andere Leute.“ Für sein Outfit braucht Elscheid nur wenig Zeit: „Etwa eine halbe Stunde dauert die Vorbereitung inklusive Schminken“, sagt der Mann mit den Vampirzähnen und dem weißen Hut, bevor er die nächste Runde rund um den Tanzbrunnen dreht.

Aus der Wuppertaler Ecke ist Landschaftsgärtner Heiko nach Köln gekommen. „Das ist mein erstes Amphi. Der erste Eindruck ist sehr gut. Schön ist, dass es in diesem Jahr endlich mal gepasst hat.“ Bei der Kleidung gibt es nur ein Kriterium: „Es muss uns gefallen.“ Zwei bis drei Stunden dauert bei uns die Vorbereitung für das Festival. „Die Sachen trage ich nur dort. Im Job habe ich normale Arbeitskleidung an. Was die schwarzen Sachen angeht, habe ich inzwischen einen ganzen Schrank voll. Viel findet man im Internet, aber auch bei den Festivals gibt es tolle Sachen zum Kaufen.“

Auf eigene Kreationen setzen Birgit und Andreas Stüber aus Bad Oeynhausen. „Die Idee dazu gab es schon vor 30 Jahren. Etwa zwei Wochen dauert es, bis wir ein neues Outfit entwickelt und geschneidert haben. Wir wollen uns immer wieder neu präsentieren und zeigen, dass es sich lohnt, die Sachen selbst zu machen und nicht nur zu kaufen. Das ist ein echtes Hobby und auch ein Ehrgeiz, mit der Szene mithalten zu können“, sagt Stüber, der im normalen Berufsleben als Beschichter arbeitet. Inzwischen füllen die Kleidungsstücke bei ihm mehrere Schränke. Oft gibt es beim Amphi Fotowünsche. „Wir werden meist so zwischen 700 und 800 Mal fotografiert.“

Ein besonderer Kontrast entsteht, wenn sich die schwarze Szene im Beachclub direkt am Rhein mit seinen weißen Möbeln und dem hellen Sand trifft. Dort ist auch die Marburger Medizinstudentin Dominique Siewert unterwegs: „Die Ideen für das Outfit entstehen meist, wenn ich die anderen Besucher beobachte. Daraus entwickle ich dann eine eigene Idee. Teils kaufe ich Sachen, teils mache ich sie aber auch selbst. Das Ankleiden dauert auch mal bis zu drei Stunden. Vor allem das Make-up braucht seine Zeit. Im Alltag trage ich auch nur schwarz, aber da betreibe ich nicht so einen Aufwand.“

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