Geschichte Drei Jahrzehnte Moderne und die sakrale Kunst in Köln

Köln · Die kirchliche Kunst erlebte nur selten in der Geschichte so einen markanten Wandel wie in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen: Grundlegendes wurde infrage gestellt, die Werke des 19. Jahrhunderts verloren ihren Reiz, man suchte nach modernen Formen, Bildern und Techniken.

 Blick in den Ende der 1920er Jahre neu gestalteten Altarraum der romanischen Kirche St. Georg.

Blick in den Ende der 1920er Jahre neu gestalteten Altarraum der romanischen Kirche St. Georg.

Foto: step/Eppinger

Das betrifft liturgische Geräte genauso wie Kirchenfenster oder Textilien. In den romanischen Kirchen in Köln war diese Entwicklung zunächst noch kein großes Thema. Aber es finden sich trotzdem Zeugen aus dieser Zeit. Den Blick darauf wirft das neue Jahrbuch des Fördervereins romanischer Kirchen „Colonia Romanica XXXV“, das gerade im Bachem-Verlag erschienen ist. Dort finden sich die Entwicklungen der ersten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts wieder, drei Jahrzehnte mit großen Veränderungen im Erzbistum Köln.

Das gilt insbesondere für die Kirche St. Georg am Waidmarkt. Dort wurde unter Pfarrer Heinrich Fabry und nach den Plänen des österreichischen Architekten Clemens Holzmeister Ende der 1920er Jahre der Innenraum neu gestaltet. Das war auch dringend notwendig, da die teils baufällige Kirche zeitweise sogar zum Schutz der Besucher geschlossen werden musste.

Der Innenraum wurde
in den Rohbau zurückgeführt 

Die historische Gestaltung wurde während der Arbeiten konsequent entfernt, auf den Rohbau zurückgeführt und der Kirchenraum wieder einem „romanischen“ Aussehen angeglichen. Unter anderem nahm man die Positionierung des Pfarraltars nach den Gesichtspunkten der neuen Liturgischen Bewegung und unter Rückgriff auf Elemente aus der Zeit des Frühchristentums vor. Damit wurde eine aktivere Teilnahme der Gläubigen an der Messe ermöglicht.

Ein bis heute erhaltener Zeuge dieser Zeit ist der 51-teilige Glasmalereizyklus des niederländischen Künstlers Johan Thorn Prikker. Während im Westbau der heilige Georg noch figürlich dargestellt wird, sind die anderen, sehr farbenfrohen Fenster mit symbolhaften Elementen wie Fischen versehen worden. Im Ostbau wird die Gestaltung rein ornamental, abgesehen vom mittleren Fenster, auf dem ein Kreuz zu erkennen ist. Das Fenster mit dem heiligen Georg und dem Drachen wirkt wie ein Wimmelbild, auf dem die einzelnen Elemente erst nach dem genauen Hinschauen gefunden werden können. Prikker entwarf einen Zyklus mit vorwiegend christozentrischer Symbolik, die sich, wie auch die Farb- und Lichtgestaltung, auf den Altarbereich als zentralen liturgischen Ort im Raum ausrichtete, was wiederum den Zielen der neuen Liturgischen Bewegung entsprach.

Clemens Holzmeister, der St. Georg in den Jahren 1929/30 im Innenraum neugestaltete, war ein österreichischer Architekt, der die brasilianische Staatsbürgerschaft besaß. Sein Studium absolvierte er an der Technischen Hochschule in Wien. Bis Mitte der 1920er Jahre führte er sein Architekturbüro in Bozen gemeinsam mit seinem Jugendfreund, dem Schauspieler und Bergsteiger Luis Trenker, der auch als Architekt tätig war. Weitere von Holzmeister gestaltete sakrale Bauten waren unter anderem die Kirche Christus König in Kleve und die Kapelle der Burg Rothenfels.

St. Georg ist im Kern eine salische Chorherrenstiftskirche, die um 1059 von Erzbischof Anno südlich der damaligen Römerstadt gegründet worden ist. Sie ist die einzige romanische Säulenbasilika Kölns. Weitere Elemente aus der Zeit der Umgestaltung im Innenraum Ende der 1920er Jahre sind zum Beispiel das Tabernakel von Michael Powolny und die Wandleuchter von Holzmeister im Langhaus.

Eine Zeit des Wandels
im Erzbistum Köln 

Ein anderer Beitrag im Buch behandelt den Wandel im Kölner Erzbistum während der Weimarer Republik. Dazu gehört insbesondere Liturgische Bewegung, die der Gemeinde mehr Mitgestaltung bei der Liturgie einräumte. Gleichzeitig entstehen Caritas-Verbände und die Frauen werden in die Gemeindearbeit einbezogen. Der Blick fällt auch auf den Neusser Pfarrer Joseph Geller, der die moderne Kunst für den Kirchenraum förderte, was sich in der Kirche Heilige Dreikönige widerspiegelt. Dort sorgten moderne Chor- und Querhausfenster für einen Skandal und für die Strafversetzung des Pfarrers. Ihren Platz im Gotteshaus haben diese mit einer gewissen Verspätung doch noch gefunden.

Der Schlusspunkt der Entwicklung war der letzte Katholikentag vor der NS-Machtergreifung 1932 in Essen, zu dem 250.000 Teilnehmer kamen. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten bremste den Wandel aus, der erst in der Bundesrepublik wieder zu Geltung kam. Bei den anderen romanischen Kirchen in Köln sorgte vor allem die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg für einen Modernisierungsschub nach 1945.

Weitere Beiträge im Buch beschäftigen sich mit dem Künstler Hanns Rheindorf und der Bedeutung der Kölner Werksschulen für die sakrale Kunst sowie mit historischen Textilien der 1920er bis 1940er Jahre und mit der Glasmalerei der Zwischenkriegszeit in den romanischen Kirchen Kölns. Neben St. Georg fällt hier der Blick auch auf zeitgenössische Kirchenfenster im Chorbereich von St. Andreas. Bei den sakralen Textilien steht die Kirche St. Gereon mit ihren großen Chorteppichen im Fokus.

 

Förderverein Romanische Kirchen Köln (Hg.): Colonia Romanica, Band XXXV, Bachem-Verlag, 168 Seiten, 19,95 Euro

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