Geschichte : "Diese wunderbaren Begegnungen werden mir in Erinnerung bleiben"
Köln Der Mannheimer Fotograf Luigi Toscano hat bei seinem Erinnerungsprojekt „Gegen das Vergessen“ mehr als 400 Überlebende des Holocaust getroffen. Diese waren in verschiedenen Ausstellungen schon weltweit zu sehen.
In einer Wanderausstellung zeigt er nun 15 der großformatigen Porträts in acht deutschen Bahnhöfen. Noch bis zum 31. August ist die Schau in der Mittelpassage des Kölner Hauptbahnhofs zu sehen. Mit dem Projekt tritt der Künstler, der von der Unesco zum „Artist for Peace“ ernannt wurde, für mehr Toleranz, Demokratie und Offenheit und gegen Antisemitismus und Rassismus ein.
Was hat Sie bewegt, das Erinnerungsprojekt „Gegen das Vergessen“ zu starten?
Luigi Toscano: Über ein ähnliches Projekt mit Porträts von Geflüchteten habe ich den öffentlichen Raum für mich entdeckt. Auch damals standen großformatige Bilder verbunden mit einer Botschaft im Mittelpunkt. Es war eine Zeit, in der die Willkommenskultur in Deutschland gekippt ist. Ich habe mir damals Gedanken darüber gemacht, wie diese Situation von Menschen wahrgenommen wird, die den Holocaust überlebt haben. So ist vor sieben Jahren das Projekt „Gegen das Vergessen“ entstanden. Anfangs war es nicht leicht, Menschen zu finden, die sich porträtieren lassen. Es gab zunächst viele Absagen auf meine Anfragen. Doch dann haben sich auf einmal viele Türen geöffnet. Inzwischen habe ich mehr als 400 Überlebende getroffen – zu Hause in ihren Wohnzimmern, in Cafés oder in Bibliotheken wie in Moskau.
Welches Konzept steckt hinter den Aufnahmen?
Toscano: Ich möchte die Menschen so fotografieren, wie sie sind. Es gibt keine Inszenierung. Alles sind großformatige frontale Aufnahmen vor einem schwarzen Hintergrund, die im öffentlichen Raum gezeigt werden. Es gab schon spektakuläre Orte wie bei den Vereinten Nationen in New York oder bei der Unesco in Paris. Dort ist eine neue Ausstellung im Jardin de Luxembourg geplant. Die französische Regierung hat mich beauftragt, die letzten Überlebenden des Holocaust in Frankreich zu porträtieren. Getroffen habe ich die Menschen aber auch in Ländern wie Deutschland, Russland, der Ukraine, Polen und in Israel.
Was waren das für Begegnungen?
Toscano: Mir war es wichtig, mit den Menschen viel Zeit zu verbringen. Es dauert, bis man sich kennenlernt und miteinander warm wird. Da ist ein Nachmittag schnell vorbei. Die Gespräche haben auch bei mir ihre Spuren hinterlassen. Es war immer ein wenig, wie wenn man die eigenen Großeltern besucht. Um die sprachlichen Barrieren zu überwinden, hatte ich Dolmetscher dabei. Es waren wunderschöne Begegnungen, die mir in Erinnerung bleiben werden.
Haben Sie noch Kontakt zu den Menschen?
Toscano: Ja, da sind auch Freundschaften entstanden. Oft wird auch nachgefragt, ob die eigenen Porträts bei aktuellen Ausstellungen dabei sind. Einige der Porträtierten sind inzwischen leider auch gestorben, da gibt es dann noch Kontakte zu den Angehörigen.