Die Katastrophe muss nicht kommen

Burscheid hat jetzt Zeit zu reagieren.

Wenn eine Stadt 1900 Arbeitsplätze verliert, liegt das Wort Katastrophe auf der Zunge. Und in der Tat wird Burscheid unter der Entscheidung von Johnson Controls noch ächzen und stöhnen.

Ob die Dramatik aber wirklich auch die Menschen dieser Stadt emotional erreicht, darf bezweifelt werden. Anders als bei Federal-Mogul gibt es bei Johnson Controls noch keine Familien- und Generationsgeschichten mit dem Unternehmen; dafür sind bisher 15 Jahre in Burscheid nicht lang genug.

Die Stadt hat dennoch mit gutem Grund alles versucht, um die Europazentrale zu halten. Ihr ist kein Vorwurf zu machen. Aber allem Anschein nach waren die Chancen dabei nicht besonders groß. Der Technologiepark Haan bietet optimale Voraussetzungen für eine neue Zentrale. Und womöglich ist die Kompostierungsanlage in Heiligeneiche auch nicht unbedingt die Nachbarschaft, die sich die JC-Manager wünschen.

Ob die Entscheidung für Haan am Ende wirklich die Katastrophe ist, die man sich vielleicht ausmalt, ist aber noch längst nicht ausgemacht. Positiv ist, dass noch Zeit bleibt, nach Alternativen zu suchen — mindestens drei, womöglich bis zu sechs Jahre.

Nicht wenigen, die sich für den Verbleib von Johnson Controls stark gemacht haben, war das Risiko, auf das sich die Stadt damit eingelassen hätte, durchaus bewusst. Denn mit der kompletten Überlassung von Straßerhof an JC wäre das Kontingent an Gewerbeflächen auf absehbare Zeit ausgeschöpft gewesen und die Abhängigkeit vom Wohl und Wehe der Automobilbranche noch größer geworden als bisher schon.

Aber bei Wirtschaftsförderung geht es immer auch um einen Weg zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Solide Mittelstandsunternehmen in einem ausgewogenen Branchenmix stehen nicht nur auf dem Burscheider Wunschzettel. Sollten sie dennoch hierherfinden, könnte in ein paar Jahren die Bilanz der Entscheidung von JC deutlich positiver ausfallen als heute.

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