„Die Brutalität war erschreckend“

Ralph Liebig ist übel attackiert worden, als er Jugendliche von Randale abhalten wollte. Aber er will sich vor keinen politischen Karren spannen lassen.

Burscheid. Der Mann, der vergangene Woche Sonntag im Luchtenberg-Richartz-Park von Jugendlichen zu Boden geschlagen und getreten worden ist, hat einen Namen und ein Gesicht - und ein bekanntes dazu: Ralph Liebig (43), Presbyter der Evangelischen Kirchengemeinde Burscheid und einer der Hauptorganisatoren des erfolgreichen Kirchenkurvenfestivals, nimmt noch immer Schmerzmittel und ist krankgeschrieben, um sich von den Folgen der Attacke zu erholen.

Der Überfall ist inzwischen ein kleines Politikum geworden: BfB-Bürgermeisterkandidat Michael Baggeler hatte den Bürgermeister öffentlich aufgefordert, dem Opfer Anerkennung zu zollen. Am Dienstag war Liebig dann zum Gespräch mit Hans Dieter Kahrl und dem Beigeordneten Stefan Caplan im Rathaus. Aber er sagt: "Ich will mich vor keinen politischen Karren spannen lassen."

In seinem Inneren arbeitet es nach der schockierenden Erfahrung noch heftig: "Natürlich gehen einem erst einmal Stammtischparolen durch den Kopf: mehr Aufsicht, mehr Strafen! Aber dann denke ich auch, die wirklich armen Gestalten der Geschichte sind diese Jungs, weil sie niemand frühzeitig an die Hand genommen hat." Immer wieder frage er sich, was machbar sei, um solche Vorfälle zu vermeiden: "Aber mir fällt auch keine Lösung ein."

Es ist einer dieser üblichen abendlichen Spaziergänge durch die Stadt. Liebig, seine Frau Gaby (45) und Mischlingshündin Donna sind gerade von der Höhestraße in den Park eingebogen, als sie drei Jugendliche entdecken, die mit Ästen auf die Spielplatzgeräte einschlagen. "Hört mit dem Mist auf", ruft Liebig und zückt ein Handy, um anzudeuten, dass er die Randalierer fotografieren will.

Dann geht alles blitzschnell. Zwei der Jungs stürmen auf ihn zu, einer wirft sich vorher noch seine Kapuze über den Kopf und maskiert sich. Ohne jede Vorwarnung trifft Liebig zum ersten Mal in seinem Leben ein Schlag mitten ins Gesicht. "Man schlägt nicht ins Gesicht", ruft er noch verdattert, dann geht er im Gerangel und nach weiteren Schlägen zu Boden. Dort treten die beiden noch mehrfach mit ganzer Kraft auf ihn ein. Die Jacke mit den vollflächigen Fußabdrücken im Rückenbereich hat Liebig noch nicht gereinigt.

"Die Brutalität war erschreckend", erzählt er. "Da gab es keine Steigerung. Die waren direkt auf 100 Prozent." Liebig ist selbst ein kräftiger Mann, "aber bei mir gab es keinen Mechanismus, zuzuschlagen." Auch Hündin Donna, Liebling im Kindergarten wie im Altenheim, war viel zu friedfertig, um die Dramatik zu erfassen: "Die hat wahrscheinlich gedacht, wir toben."

Die Polizei, von Ehefrau Gaby alarmiert, ist schnell mit vier Streifenwagen zur Stelle. Zwei der Jugendlichen werden wenig später auf dem Griesberg erwischt. Sie sind, obwohl kräftig und ausgewachsen, erst 12 und 15 Jahre alt.

Liebig wird ins Remigius-Krankenhaus nach Leverkusen gebracht. Die Ärzte stellen großflächige Prellungen und Blutergüsse am ganzen Rücken und in der Hüfte fest, dazu Abschürfungen am Knie. Die erste Woche kann er trotz Schmerzmitteln nicht durchschlafen, weiß nicht, wie er liegen soll. Mittlerweile gibt es Fortschritte, die Medikamentendosis ist halbiert, aber es wird noch Wochen dauern, bis alles abgeheilt ist.

Dass es türkische Jugendliche waren, die ihn angegriffen haben, sagt er eher zögerlich. Er will weder Vorurteile bedienen noch Ratschläge von falscher Seite erhalten. Aber dass die türkische Jugendszene inzwischen in der Montanusstraße von der Ecke Hauptstraße bis zum Park dominiert, ist offensichtlich. Liebigs Hoffnung: ob es über den aufgeschlossenen Türkisch-Islamischen Kulturverein vielleicht möglich sein könnte, eine Brücke zu den Jugendlichen zu schlagen, präventiv tätig zu werden? "Irgendwas muss man für die Jungs tun. Die haben Frust."

Und er selbst? Nein, er sei nicht traumatisiert. "Es ist nicht so, dass ich mich nicht mehr auf die Straße traue." Dass er künftig anders, vielleicht passiver reagieren würde, kann er sich auch nicht so recht vorstellen: "Ich glaube, das würde wieder genauso ablaufen."

Ob er an dem Abend von Passanten Hilfe hätte bekommen können, weiß Liebig nicht. "Jeder soll das tun, was er kann", ist er aber überzeugt. Zumindest die Polizei rufen, das könne jeder. Hingucken und nicht Weggucken, das ist dem 43-Jährigen weiterhin wichtig. "Wir müssen unseren inneren Schweinehund überwinden."

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