Aus Tradition gut: Pfingsteiersingen im Bergischen

Junge Männer und Frauen ziehen um die Häuser, um Kartons voller roher Eier zu ersingen.

Burscheid. Rötzinghoven vor rund 60 Jahren: An einem sommerlich warmen Pfingstsamstag trafen sich junge Bauernsöhne. Einer schwärmte (natürlich auf Original Bergisch Platt): Ich hätte Lust auf eine große Pfanne Rühreier mit Speck.“ Den Freunden ging es ebenso — doch die wenigen Hühnerprodukte in ihren Häusern reichten bei weitem nicht aus für ihren großen Appetit.

Aber es sollte einen Ausweg geben, der neben den nahrhaften Zutaten auch einen deftigen Spaß versprach: Die hungrigen Bauernsöhne erinnerten sich an den jahrhundertealten Brauch des „Pfingsteier-Heischens“ — und so kam es wie es kommen musste: Mehr oder weniger musikalisch sangen die jungen Burschen die uralten Vierzeiler vor den Häusern der Familien, in denen sie hübsche, heiratsfähige Mädchen wussten. Sie brauchten nicht lange zu bitten: Aus den Fenstern kamen ihnen kleine Körbe am Strick entgegengeschwebt, gefüllt mit rohen Eiern, herausgereicht von kichernden Töchtern.

Dass die Junggesellen auf diese Art durch die umliegenden Hofschaften zogen, hat manche gebürtige Rötzinghofenerin noch persönlich erlebt. An diesem Pfingstsamstag erklangen um 17 Uhr vor dem Haus der Familie Böll aber nicht nur Männerstimmen — denn Tradition hin oder her, auch junge Frauen essen gern Rührei und ziehen seit einigen Jahren mit um die Häuser, wo es zum rohen Ei auch mal einen Schnaps gibt, immerhin müssen die Kehlen ja geölt werden.

Zwölf Mitglieder des gemischten Chores Wiehbacher Echo fügten dem Vorgesang von Tenor Willi Thiel jedesmal den Refrain zu: „Feie, Rose, Blümelein — ei du wack’res Mädchen“ Sodann gingen die Haustüren auf und die „Fuhrmanns-Pinnchen“ reihum, der mitgeführte Henkelkorb füllte sich zusehends mit Eierkartons und „flüssigem Getreide“. Geschmeckt haben auch die selbst gebackenen Frikadellen an der nächsten Haustür, und gerne angenommen wurden auch Spenden in klingender Münze.

Von Rötzinghofen ging der Weg Richtung Repinghofen und weiter nach Heddinghofen. Allmählich passten keine Eier mehr in den Tragekorb. Da kam der „Bollerwagen“ — deponiert — auf halber Strecke — gerade recht. Und was im Haus der Familie Karl-Heinz Lautz mit einem gemütlichen Gartentreff begonnen hatte, fand seinen urbergischen Abschluss im Garten von Chormitglied Herrmann Prigan.

Von den insgesamt beinahe 300 „erheischten“ Eiern wurden jede Menge zusammen mit reichlich Speck zu einer deftigen Mahlzeit für alle Beteiligten verarbeitet — wobei es erstaunte, wie viel Platz für diese Köstlichkeit durch den strammen Wanderweg in den Mägen der fleißigen Sänger bereits wieder entstanden war. Wie in jedem Jahr blieben reichlich Eier (und weitere Spenden) als Gabe für die Burscheider Tafel übrig. urs

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