Geschichte Auf Zeitreise in die Vergangenheit

Köln · Es sind besondere Einblicke, die die Rekonstruktionen von in der NS-Zeit zerstörten Synagogen ermöglichen. Das gilt insbesondere für die Kölner Synagoge in der Glockengasse, die mit ihrer Farbigkeit und der opulenten Ausstattung begeistert.

 Die Lithografie von 1860 zeigt die Innenansicht der Synagoge an der Glockengasse.

Die Lithografie von 1860 zeigt die Innenansicht der Synagoge an der Glockengasse.

Foto: RBA/Rheinisches Bildarchiv

Sie wurde im „maurischen“ Stil errichtet und verfügte über 230 Sitzplätze für Männer und 140 für Frauen. Nach der Fertigstellung des Opernquartiers am Offenbachplatz soll nicht nur die Gedenkplakette zurückkehren, sondern auch ein „Fernrohr“ wird vor Ort aufgestellt, mit dem man zurück in die Vergangenheit und in das Innere des Gebäudes blicken kann.

Die Idee, die von den Nationalsozialisten zerstörten Gotteshäuser virtuell zu rekonstruieren, entstand bei Marc Grellert von der TU Darmstadt, nachdem es 1994 einen antisemitischen Anschlag auf die Synagoge in Lübeck gab. Dass das Projekt nichts von seiner Aktualität verloren hat, zeigt der jüngste Brandanschlag auf die Ulmer Synagoge. „Diese Taten zeigen, wie offen und brutal Antisemiten und Rechtsradikale in unserer Gesellschaft wieder agieren. Die Ausstellung will dagegen ein Zeichen setzen“, sagt Grellert. Die Rekonstruktionen werden noch bis zum 19. September im Kölner NS-Dokumentationszentrum am Appellhofplatz gezeigt. Das geschieht auch als Beitrag im Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“.

3000 Synagogen gab es
noch im Deutschen Reich

Insgesamt 3000 Synagogen gab es im Deutschen Reich. Etwa die Hälfte davon wurden zerstört, alleine mehr als 900 in der Reichspogromnacht von 1938. 360 Gotteshäuser wurden nach 1945 abgerissen. Das geschah noch bis in die 80er Jahre, auch weil es nur wenige Menschen gab, die sich in dieser Zeit für den Erhalt der Synagogen eingesetzt haben.

21 Synagogen wurden von Grellert und den Studenten der TU Darmstadt rekonstruiert. Zunächst waren es Frankfurter Synagogen, später wurde das Projekt auf ganz Deutschland ausgeweitet. Als Basis für die Rekonstruktion dienten alte Baupläne, Fotografien und die Erinnerungen von Zeitzeugen. Das war insbesondere für die Farbgestaltung wichtig. Über die Zeitzeugen gelangten die Forscher auch an die alltägliche Erfahrung der Menschen in den heute verschwundenen Synagogen. „Wir wollen den Besuchern so den kulturellen Verlust und die Schönheit der einst in Deutschland vorhandenen Synagogen-Architektur vor Augen führen.“

„Es gibt keine typisch deutsche Bauart der Synagogen. Es gibt auch keine Vorschriften, wie diese auszusehen haben. Gemeinsam ist allen Gotteshäusern die Ausrichtung nach Jerusalem und der Thoraschrein. Im 19. Jahrhundert kamen die Emporen für die Frauen dazu“, erklärt Grellert. In der Ausstellung wird der Blick auch auf die Geschichte der jüdischen Sakralbauten vom ersten Tempel über das Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert geworfen. Gezeigt werden auch moderne, nach 1945 gebaute Synagogen und die Bedeutung, die diese für die Menschen von heute haben.

Aufgeteilt ist die Schau in vier Bereiche. Im Bereich der Rekonstruktion wird mit Schreibtischen, Büchern und Monitoren eine Werkstattatmosphäre erzeugt, die Einblicke in die Arbeit der Forscher ermöglicht. Projektionen an den Wänden zeigen, wie die Synagogen zum Beispiel in Köln, Frankfurt, Berlin, Dortmund oder Dresden einmal ausgesehen haben. „Die Menschen können so auch die Raumdimensionen wahrnehmen und erkennen, dass sich die Gebäude gar nicht so groß von Kirchen oder Moscheen unterscheiden. Das soll auch Lust darauf machen, eine Synagoge vor Ort einmal zu besuchen.“

Beim Thema Eskalation wird auf Stelen deutlich gemacht, wie durch Gesetzesverschärfungen in den 1930er Jahren das Leben der Juden in Deutschland immer weiter eingeschränkt worden ist. Direkt am Eingang sind die 1000 Namen von Städten zu lesen, in denen jüdische Gotteshäuser von den Nazis zerstört worden sind. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die Kölner Synagoge in der Glockengasse, diese können die Besucher mithilfe einer Virtual-Reality-Brille auch von innen besichtigen. Erbaut wurde das Gotteshaus nach den Plänen des Architekten und Dombaumeisters Ernst Friedrich Zwirner in den Jahren zwischen 1857 und 1861.

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