90 Degrees: Zweiter Frühling einer jungen Band

Die Deutschrocker von 90 Degrees nehmen endlich ihr erstes Album auf und freuen sich auf das Kikufe.

90 Degrees: Zweiter Frühling einer jungen Band
Foto: Doro Siewert

Burscheid. Gibt es diese Momente, in denen sich alles zusammenfügt? In denen Musiker glauben, sich gesucht und gefunden zu haben — und eine Vertrautheit entwickeln, als würden sie schon Jahre zusammenspielen? Die Band 90 Degrees ist überzeugt, sich in einem solchen Moment zu befinden. Und nutzt den Aufwind, um trotz erst einer Handvoll gemeinsamer Auftritte ihr erstes Album einzuspielen. Wie sehr die fünf Musiker auch live überzeugen, davon kann man sich Ende des Monats beim Kirchenkurvenfestival ein Bild machen.

Das Album hätte eigentlich schon längst entstehen sollen. Schließlich hatten sich 90 Degrees schon 2006 aus einer Schülerband des Leverkusener Lise-Meitner-Gymnasiums entwickelt und bald auf eigene Stücke mit deutschen Texten gesetzt. Zwei Jahre später der erste Höhenflug für die Nachwuchsrocker: Sieg bei den Leverkusener Talentwochen samt Plattenvertrag über vier Jahre.

„Im Rückblick war das eine der größten Bremsen in der Bandgeschichte“, sagt Sänger Nico von Styp (25). Eine Geschichte voller enttäuschter Hoffnungen mit schließlich vorzeitiger Vertragskündigung — und nach wie vor keinem Album.

Dann vor einem Jahr der entscheidende Umbruch: Zwei Bandmitglieder steigen aus, zwei neue werden gewonnen. Seither ist 90 Degrees eine Leverkusener Band mit Burscheider Einschlag. Neu an der Gitarre ist Julian Hilgert (20), früher Mitglied der inzwischen aufgelösten Burscheider Band Tommy and the Krauts, die einst aus dem Projekt „Kirche rockt“ der Evangelischen Kirchengemeinde hervorgegangen war. Und am Bass rockt jetzt der Ratsherr: Dennis Becker (29), Fraktionsmitglied der Burscheider SPD, gab Sänger Nico auf der Bierbörse vor einem Jahr die richtigen Antworten auf die beiden Fragen: „Kannst du auf dem Bass ein F spielen? Und kannst du auch ein G spielen?“

Als ein Anruf am nächsten Tag deutlich machte, dass das keine Schnapsidee war, hat sich der Erzieher als Quereinsteiger trotz aller Bedenken ins Zeug gelegt. Früher mal Keyboarder bei Youngblood, machte sich Dennis Becker daran, das neue Instrument zu lernen, auf dem er bisher zu Hause nur gelegentlich ein bisschen geklimpert hatte.

Ab und zu gab es dabei auch Einzelstunden bei Julian Hilgert. Der Jüngste der Band ist gleichzeitig ihr Kreativposten. Wenn er komponiert, sollen immer kleine Feinheiten für Fachleute eingebaut sein. So hat er es schon vor zwei Jahren gehalten, als er mit „Hard to know“ bei der Kika-Castingshow „Dein Song“ an den Start ging.

Da ist es gut, wenn es mit Nico und dem Gründungsgitarristen Marlon Wenzel (25) zwei Korrektive gibt, die beim Songwriting auf den gerade, direkten Weg achten. „Die haben es drauf, aus wenig Akkorden Großes zu machen“, sagt Julian anerkennend. Und Dennis lobt: „Nicos Texte sind mitten aus dem Leben. Man hört ihm zu und versteht die Geschichte sofort, die er erzählt.“

Für die CD ist das alte Material einer Frischzellenkur unterzogen worden. Für die Zeit, die danach kommt, entstehen bereits die ersten neuen Stücke. Deutschrock, ja, „aber schon ein bisschen anders: ein bisschen Ska, ein bisschen Punk, ein bisschen Metal“, beschreibt Julian die unterschiedlichen Einflüsse. Und auch Balladen dürfen nicht fehlen. „Radiotauglichkeit“ bescheinigt Dennis Becker seiner neuen Band.

Die Aufnahmen in Essen haben die fünf noch einmal enger zusammengeschweißt. Um nicht abgelenkt zu werden, wurde in Essen eigens ein Apartment angemietet. Manche Studiotage dauerten zwölf Stunden und mehr. „Jeder liebt die Songs“, freut sich Nico über das Bandklima.

Das soll auch für die ambitionierten Pläne taugen, die jetzt ihrer Umsetzung harren: Videos zu den Songs und die Knochentour durch die Clubs — spielen, spielen, spielen, „gerne auch mal in einem leeren Club, wo uns nur der Kellner zuhört“, sagt Nico. „Wir haben uns all die Arbeit mit den Songs nicht gemacht, um nur einmal im Jahr aufzutreten.“

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