Bürger hat das Wort Straßenausbaubeitrag – Wie eine kleine Stadt mit einem ungeliebten Thema umgeht

Düsseldorf · Bürgermeister Rüdiger Meier erklärt, wie die kleine Gemeinde Kirchlengern Druck aus der Debatte um ein politisch heiß diskutiertes Thema nimmt.

 Bauarbeiter bei der Reparatur einer Straßendecke.

Bauarbeiter bei der Reparatur einer Straßendecke.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Als CDU und FDP Anfang Juli im NRW-Landtag die Eckpunkte für die Neuregelung des hoch umstrittenen Themas Straßenausbaubeiträge vorstellten, da hofften sie noch, dass der insbesondere vom Bund der Steuerzahler organisierte Widerstand nun wohl gebrochen sei. FDP-Fraktionschef Christof  Rasche jedenfalls zeigte sich optimistisch, dass es Proteste wegen finanzieller Überforderung von Grundstückseigentümern nun nicht mehr geben werde. Schließlich will das Land den Kommunen und damit auch deren Grundstückseigentümern mit 65 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt helfen.

Die bisherige Beteiligung der Anlieger an den Straßenausbaubeiträgen soll von jetzt oft 80 Prozent auf maximal 40 Prozent bei Anliegerstraßen und 30 Prozent bei Durchgangsverkehrsstraßen reduziert werden. Es soll eine frühzeitige Bürgerbeteiligung, Stundungsregelungen und Ratenzahlungen in Härtefällen geben.

Widerstand gegen Straßenausbaubeiträge ist ungebrochen

Doch all das bricht den Widerstand ganz und gar nicht. Die Forderung: Das Land und damit der Steuerzahler soll die Rechnung bitteschön ganz bezahlen – so wie das auch in anderen Bundesländern der Fall ist. Nicht der Grundstückseigentümer dürfe in die Pflicht genommen werden, die Straße werde schließlich von allen genutzt, so das Argument.

 NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) und ihr Parteifreund Rüdiger Meier, Bürgermeister von Kirchlengern.

NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) und ihr Parteifreund Rüdiger Meier, Bürgermeister von Kirchlengern.

Foto: Peter Kurz

Bei dem jetzt anlaufenden Gesetzgebungsverfahren muss die schwarz-gelbe Mehrheit, die den Landeshaushalt nicht noch weiter belasten will, also noch jede Menge Überzeugungsarbeit leisten. Eben dafür holte sich Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) am Dienstag einen Argumentationshelfer an ihre Seite: Ihr Parteifreund Rüdiger Meier ist Bürgermeister von Kirchlengern, einem 16.000-Einwohner-Städtchen bei Bielefeld. Und der berichtete davon, dass in seinem Zuständigkeitsbereich das Thema seit Jahren in weitgehender Übereinstimmung mit den eigenen Bürgern geregelt werde.

Früher habe man das auch in seiner Gemeinde so gehalten, dass der Rat beschließt, welche „grundhafte Erneuerung“ einer Straße geplant wird. Und danach seien die Bürger mit der auf sie zukommenden Zahlungspflicht mehr oder weniger überfahren worden. „Dann haben wir vor acht Jahren umgesteuert“, sagt Meier. „Wir diskutieren mit den Leuten: Was wollen die Anlieger, welchen Standard soll die Erneuerung der Straße haben? Braucht es unbedingt Laternen oder reicht die Beleuchtung an den Häusern? Sollen wir auf einen Gehweg verzichten und nur einen Schotterrasen anlegen? Wir sagen den Menschen aber auch, dass sie dann immer wieder Schottersteine fegen müssen.“

Meier vergleicht diese Diskussion mit dem Kundengespräch in einem Möbelhaus: Welche Extras will der Käufer bei seiner Schrankwand? Je nach Ausstattung werde das dann teurer oder billiger. So sei es auch bei den Straßenausbaubeiträgen. Je nach Ausbauqualität könne man den Grundstückseigentümern dann frühzeitig sagen, welche Kostenbelastung bei dieser oder jener von ihnen nach dem Baukastensystem gewählten Alternative auf sie zukomme.

„Die Sache wird nicht einfach den Planern überlassen“, sagt Meier. Und dann können sich die Anlieger für die eine oder andere Lösung entscheiden. Wenn sie dann sagen, wir wollen gar keinen Straßenausbau, dann wird auch das berücksichtigt. „Dann kommen wir als Stadt nur unserer Verkehrssicherungspflicht nach, reparieren die offensichtlichen Schäden. Gleichzeitig machen wir den Straßenanliegern klar, dass die Stadt erst einmal andere Straßenerneuerungen in Angriff nimmt und es Jahre dauern kann, bis ihre Straße wieder dran ist. Zu dann freilich gestiegenen Preisen.“

Wird in einer solchen moderierten Anliegerversammlung eine klare Mehrheit für eine bestimmte Ausbaumaßnahme erreicht, so hält sich der Rat an diese Bürgerentscheidung. Sind die Stimmenverhältnisse knapp, werden die Beteiligten noch mal per Fragebogen nach ihren Vorstellungen gefragt, bevor die Kommunalpolitiker entscheiden.

Bauministerin Scharrenbach sieht das Ganze als gelungenes Beispiel für Bürgerbeteiligung, die ja auch der Gesetzentwurf von CDU und FDP vorsehe. Kirchlengern könne ein Modell für andere Städte sein. Es gebe  Interesse anderer Kommunen an seiner Vorgehensweise, bestätigt auch Bürgermeister Meier. Ob das freilich die Gegner des Gesetzes befriedet, steht auf einem anderen Blatt. Denn diese wollen ja die komplette Freistellung von den Beiträgen. Dieser Grundsatzstreit wird das Gesetzgebungsverfahren im NRW-Landtag in den kommenden Monaten weiter begleiten.

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