Armutsrisiko Ein-Eltern-Familie Alleinerziehende ohne Vorrang bei Kitaplatz-Vergabe

Düsseldorf/Kaarst · Ärztin bekommt in Kaarst keinen Kitaplatz, weil Paare gleichbehandelt werden. In Wuppertal oder Düsseldorf undenkbar.

 Kitaplätze in NRW sind heiß begehrt. Wie sie vergeben werden, wird vor Ort entschieden.

Kitaplätze in NRW sind heiß begehrt. Wie sie vergeben werden, wird vor Ort entschieden.

Foto: dpa/Daniel Karmann

Wer in Nordrhein-Westfalen allein seine Kinder erzieht und zusätzlich allein für das Haushaltseinkommen sorgt, der wird nicht notwendigerweise bei der Vergabe von Kitaplätzen priorisiert. Das hat jetzt eine alleinerziehende Oberärztin in Kaarst im Rhein-Kreis Neuss erlebt. Ihr drohen berufliche und finanzielle Einschnitte. Laut dem NRW-Verband alleinerziehender mütter und Väter (Vamv) kein Einzelfall.

Ulrike Schmitz (40) nimmt nach eigener Aussage keinerlei staatliche finanzielle Unterstützung in Anspruch, nur auf einen Platz in einer Kita in Wohnortnähe habe sie gehofft. Doch stattdessen erhielten in diesen Wunsch-Kitas der Ärztin Familien mit zwei berufstätigen Elternteilen Zusagen. „Das geht doch nicht“, sagt sie (Poträt auf Seite Hier und Heute). Doch die Stadt Kaarst bestätigt das Vorgehen gegenüber dieser Zeitung: Man mache keine Unterschiede zwischen Alleinerziehenden und Paaren, dies sei politischer Konsens.

Familienministerium: Kriterien werden vor Ort festgelegt

Das Kinder- und Familienministerium (MKFFI) erklärt auf Anfrage, es seien weder im Achten Sozialgesetzbuch noch im Kibiz für NRW Kriterien zur Vergabe von Betreuungsplätzen festgeschrieben. Dies stünde der per Gesetz garantierten Autonomie der Träger in der Freien Kinder- und Jugendhilfe entgegen. „Danach entscheiden die Träger von Kindertageseinrichtungen über die Aufnahme von Kindern in ihre Einrichtungen in eigener Zuständigkeit und nach eigenen Kriterien“, so ein Ministeriumssprecher. „Wichtig ist, dass ein transparentes und einheitliches Vergabeverfahren vorliegt.“ Die Kriterien dafür würden aber vor Ort festgelegt.

Schmitz soll immerhin, wenn ihr Sohn im Januar drei Jahre alt wird und somit einen rechtlichen Anspruch auf die Betreuung in einer Kindertageseinrichtung hat, ein Platz in einer neuen Kita angeboten werden, die allerdings noch nicht gebaut ist. Dann müsste sie aufgrund der Entfernung wohl beruflich kürzer treten,unklar seien zudem die geplanten Öffnungszeiten der Einrichtung. Aber: Lehne sie den Platz aber ab, verliere sie ihren Rechtsanspruch auf Betreuung vollständig.

Das bestätigt der Vamv und erklärt, das Kaarster Vorgehen sei letztlich nur konsequent, weil es sich wie die gesamte Familienpolitik auf die klassische Paarfamilie richte. Auch eine aktuelle Studie des Max-Planck-Instituts für Sozialrecht und Sozialpolitik zum Armutsrisiko Alleinerziehender in der Bundesrepublik resümierte Anfang August: „Das deutsche System privilegiert vor allem Ehefamilien.“

Dass es vor Ort auch anders geht zeigen Gegenbeispiele. So heißt es etwa von der Stadt Düsseldorf im Hinblick auf die Kriterien zur Kitaplatz-Vergabe auf Anfrage: „Der Status ,alleinerziehend’ ist dabei ganz oben angesetzt. Geschwisterkinder und Alleinerziehende haben den Vorrang.“ In Wuppertal wird just kommende Woche im Jugendhilfeausschuss der Kriterienkatalog neu und transparenter aufgestellt. Stadtsprecherin Martina Eckermann erklärt: „Alleinerziehende haben nicht unbedingt Priorität.“ Wenn sie allerdings arbeiteten, einen Arbeitsvertrag oder eine Ausbildung im Fall einer Betreuung sicher hätten, zöge man sie berufstätigen Paaren vor.

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