Neubildung halbiert Alarmierender Zustand: Viel zu wenig neues Grundwasser in NRW

Düsseldorf · Innerhalb von 20 Jahren hat sich die jährliche Neubildung von Grundwasser in allen Regionen von NRW halbiert. An einem Fünftel der Messstellen gab es „historische Tiefststände“.

 Die Hitzejahre sind ein Grund für den gesunkenen Grundwasserspiegel. Ein anderer: der Verlust an versickerungsfähigem Grünland.

Die Hitzejahre sind ein Grund für den gesunkenen Grundwasserspiegel. Ein anderer: der Verlust an versickerungsfähigem Grünland.

Foto: dpa/Bernd Wüstneck

Die Neubildung von Grundwasser in Nordrhein-Westfalen nimmt quer durch alle Regionen seit Jahren tendenziell ab und hat sich über den Zeitraum von 20 Jahren praktisch halbiert. Das geht aus der Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage der Grünen hervor. In Teilen Westfalens gab es sogar Jahre, in denen gar kein Grundwasser neu gebildet wurde.

Auch die Abstände der Hitzejahre werden kürzer: 1996, 2009, 2012 und 2018 waren die Jahre, in denen nach Untersuchungen des Forschungszentrums Jülich die Grundwasserneubildung besonders gering ausfiel. Im Oktober 2018 seien landesweit an mehr als einem Fünftel der Messstellen „historische Tiefststände“ gemessen worden, heißt es in der Antwort der Landesregierung.

In Dürrejahren Nutzungskonflikte mit der Landwirtschaft

Dabei wird rund die Hälfte des Trinkwasserbedarfs in NRW aus Grundwasser gespeist, 16 Prozent aus Talsperren und der Rest aus Uferfiltrat. Zudem haben die zurückliegenden beiden Dürrejahre gezeigt, dass es zu Nutzungskonflikten kommen kann, wenn der Bedarf der Landwirtschaft nach Bewässerung wächst.

Er wolle keinen Alarmismus verbreiten, so Norbert Rüße, umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag. Aber es sei an der Zeit, sich mit einem Thema zu beschäftigen, „für das wir uns lange nicht interessiert haben“, weil die Überzeugung vorgeherrscht habe, Wasser sei hierzulande im Überfluss verfügbar. Im Zweifel müsse die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung Vorrang haben.

Ähnlich hatte auch der Verband kommunaler Unternehmen vor zwei Monaten in einem Positionspapier zu Klimawandel und Wasserwirtschaft argumentiert. Darin heißt es: „Gerade wenn das langfristig nutzbare Wasserdargebot nicht für alle gewünschten Nutzungen ausreichend ist und damit eine Abwägung notwendig wird, ist die Versorgung mit Trinkwasser vorrangig sicherzustellen.“ Zur Not müsse es „eine gesetzliche Nachschärfung“ geben.

Ein Problem bleibt die Belastung des Grundwassers mit Nitrat, aber auch mit Pestiziden, Mikroplastik und Rückständen von Medikamenten, was eine aufwendige Aufbereitung erfordert. Die Deutsche Umwelthilfe hat daher die Länder NRW und Niedersachsen im vergangenen Monat wegen der Überschreitung des Nitrat-Grenzwerts von 50 Milligramm pro Liter verklagt. Krankenhäuser könnten die Belastung des Abwassers durch eine vorgeschaltete eigene Reinigungsstufe von Medikamentenrückständen im Patientenurin befreien, sagt Rüße.

Der Grünen-Politiker hält der Landesregierung vor, beim Thema Wasser zu sehr in der „Beobachterrolle“ zu verharren. Man verlasse sich allein auf die Novelle der Düngeverordnung, die voraussichtlich im kommenden Frühjahr auf Bundesebene beschlossen werden soll. Die Grünen wollen nach Auswertung der 212 Seiten starken Antwort auf ihre Große Anfrage in den kommenden Monaten mehrere Anträge zum Thema Wasser in den Landtag einbringen. Ein Ziel sei, der Flächenversiegelung zu begegnen. Denn seit 1970 seien 400 000 Hektar Grünland und damit einer der wichtigsten Wasserspeicher verlorengegangen, so Rüße.

Bei aller Kritik an der Entwicklung bekräftigt der Landwirt im Nebenerwerb: „Unser Trinkwasser ist super.“ Und das Leitungswasser sei keinen Deut schlechter als Mineralwasser. Der Politiker warnt davor, allein der Landwirtschaft die Verantwortung für die Wasserqualität aufzubürden. Dafür sei ein Pakt notwendig: „Die Landwirtschaft produziert umweltfreundlich, aber die Gesellschaft konsumiert auch umweltfreundlich.“

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