Analyse Abschiebehaft in NRW soll sicherer und besser werden

Düsseldorf · Die Landesregierung will das Gesetz reformieren. Die Opposition aber bremst:  Experten sollen gehört werden.

Die Abschiebehaftanstalt in Büren ist  oft bis unters Dach belegt.

Die Abschiebehaftanstalt in Büren ist oft bis unters Dach belegt.

Foto: picture alliance / dpa/dpa

Immer mehr Ausreisepflichtige, immer mehr Gefährder – der Abschiebehaftvollzug in NRW steht vor wachsenden Herausforderungen. Regelmäßig platzt die Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA) in Büren aus allen Nähten, in diesem Jahr kam es zu Ausbrüchen, der „Spiegel“ berichtete über „fast täglich massive Zwischenfälle“. Die Landesregierung will deshalb so schnell wie möglich eine Gesetzesreform, an diesem Mittwoch bringt sie den Entwurf im Integrations- und im Rechtsausschuss ein. Doch die Opposition will auf die Bremse treten.

„Wir benötigen mehr Plätze, größere Flexibilität bei der Belegung und mehr Vollzugspersonal“, erklärte Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) die Notwendigkeit einer neuen rechtlichen Grundlage für die Abschiebehaft. Die UfA in Büren hat eine Bedeutung über die Grenzen von NRW hinweg: Lediglich acht Bundesländer verfügen überhaupt über Abschiebehafteinrichtungen, ein Drittel der Plätze bundesweit entfallen laut Landesregierung auf Nordrhein-Westfalen. Doch die Kapazität reicht schon jetzt für das eigene Bundesland nicht aus: 2017 wurden 230 Aufnahmeersuchen von NRW-Ausländerbehörden in Büren abgelehnt, 2018 schon im ersten Halbjahr 239. Die von Stamps Ministerium geplante Erweiterung der UfA von 140 auf 175 Plätze  ist angesichts dieser Zahlen nicht hoch gegriffen.

Aber auch die Sicherheit der Unterbringung in Büren steht auf dem Prüfstand. Im April flüchteten in zwei Fällen Untergebrachte aus der Anstalt, im Juli gelangten Männer auf das Dach des Hauses. Insbesondere die Unterbringung von Gefährdern und Straftätern ist Schwerpunkt der geplanten Gesetzesnovelle. So soll es ein neues Zugangsverfahren von bis zu einer Woche geben, um das Gefährdungspotenzial Untergebrachter zu beurteilen. Je nach Ergebnis sollen Einschränkungen der Freiheiten – etwa die Handynutzung und der Internetzugang – möglich sein.

Opposition: „Kein Ersatzinstrument für Straftäter“

Die Opposition im Düsseldorfer Landtag indes zweifelt, dass diese weitreichenden Änderungen mit EU-Recht vereinbar sind. „Wir werden eine Anhörung beantragen“, sagt Berivan Aymaz (Grüne). Das Gesetz lasse zum Beispiel offen, wie die Gefährdungsbewertung genau ablaufen soll. Aymaz: „Wer diese Entscheidung trifft und wie sie getroffen wird, muss ganz transparent sein.“ Ellen Stock von der SPD glaubt zudem nicht, dass eine einwöchige Eingangsphase zulässig ist. Auch ihre Fraktion will offene Fragen durch eine Anhörung klären.

Insgesamt denkt  die Landesregierung in ihrem Gesetzentwurf aus Sicht der Opposition zu sehr vom schwarzen Schaf her als vom Familienvater oder jungen Student, der eben auch in der UfA Büren einsitzt. So werde etwa die unabhängige Rechtsberatung, die derzeit Standard dort sei, ausgeklammert, moniert Stock. Grünen-Frau Aymaz warnt: „Abschiebehaft darf nicht als Ersatzinstrument für Straftäter genutzt werden.“

Das Spannungsfeld ist komplex. Zwischen den unbescholtenen Familienvätern und den Sami A.s unter  einem Dach. Zwischen dem Nicht-Vorverurteilen des Familienvaters durch eine lange Begutachtung und dem Schutz dieses Vaters vor jenen, die eben doch als gefährlich zu bewerten sind. Wie dieses Spannungsfeld aufgelöst werde könnte, ist in der Tat eine spannende Frage für eine Expertenanhörung.

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