„50 Jahre Stadt Willich“: Lukas Siebenkotten blickt zurück Rückblick auf das „große Beben“

Willich/Kreis Viersen · In „50 Jahre Stadt Willich“ schaut Lukas Siebenkotten auf seine Zeit als Bürgermeister.

 Lukas Siebenkotten ist heute Präsident des Deutschen Mieterbundes in Berlin.

Lukas Siebenkotten ist heute Präsident des Deutschen Mieterbundes in Berlin.

Foto: dpa/Rainer Jensen

Seit 2008 ist Lukas Siebenkotten beim Deutschen Mieterbund tätig, seit sechs Monaten dessen Präsident. „Eine spannende und interessante Aufgabe, die mich auch voll ausfüllt“, betont Siebenkotten in seinem Beitrag im gerade vorgestellten Buch „50 Jahre Stadt Willich“. Er beschreibt darin seine Zeit als Bürgermeister der Stadt Willich zwischen 1995 und 1999: „Vier Jahre und drei Monate.“ Über diese berufliche und persönlich herausfordernde Spanne sagt Siebenkotten heute, 20 Jahre später, „mit Überzeugung“, dass „das Amt des Bürgermeisters in Willich meine berufliche Lieblingsbeschäftigung war. Und daran wird sich nichts mehr ändern“.

Bürgermeister – die Position und die Profile der bekannten und neuen Kandidaten, die im Herbst 2020 ins Rennen um die Wählergunst gehen, sind zurzeit kreisweit in aller Munde. Zehn Monate vor den Neuwahlen wird das Kandidaten-Portfolio in den Städten und Gemeinden Name für Name klarer (siehe Info-Kasten).

Die Stadt Kempen ist da weit vorn. Stadtsprecher Christoph Dellmans und der CDU-Vorsitzende Philipp Kraft wollen Nachfolger von Bürgermeister Volker Rübo (CDU)  werden.

In Willich ist bisher sicher, dass der SPD-Vorstand die Kandidatur von Dietmar Winkels unterstützt. Amtsinhaber Josef Heyes (CDU), Siebenkottens Nachfolger und seit zwei Jahrzehnten erster Bürger der Stadt, behält sich vor, über seine Kandidatur oder Nicht-Kandidatur Anfang des Jahres Stellung zu beziehen. Weitere Kandidaten sind noch nicht gekürt.

Mit einer Stimme
Vorsprung gewählt

Zurück in die 90er, zurück zu Lukas Siebenkotten: Der Jurist war 32 Jahre jung, als er vor knapp 30 Jahren vom Willicher Stadtrat zum Beigeordneten gewählt wurde. Damals waren die kommunalpolitischen Zeiten andere. Im ersten Beigeordnetenjahr war Stadtdirektor Dr. Hans Lamers Siebenkottens Vorgesetzter. Ein Jahr später wurde Dieter Hehnen Stadtdirektor. Hehnen und Siebenkotten, das neue Verwaltungsdoppel, schlugen stark auf. „Wir haben uns sehr gut ergänzt“, schreibt Siebenkotten. Die beiden hatten offenbar ein gutes taktisches Gefühl für die Politik. Wenn Vorhaben der Verwaltungsspitze erläutert werden sollten, tat Hehnen dies in der SPD-Fraktion und Genosse Siebenkotten ging in die CDU.

1995 scherte Hehnen aus dem Doppel aus, erklärte, sein Amt als Stadtdirektor vorzeitig aufgeben zu wollen. Die Ankündigung hatte weitreichende Folgen.  Siebenkotten: „Nach den neuen Bestimmungen der Gemeindeordnung musste der Stadtrat nun einen hauptamtlichen Bürgermeister wählen.“ Die CDU hob Josef Heyes auf den Kandidatenschild. Beigeordneter Siebenkotten  brauchte Bedenkzeit. Er entschied sich gegen sichere, weitere Beigeordnetenjahre und für den Wettbewerb ums erste Amt in der Stadt. SPD, FDP und Grüne stärkten dem Verwaltungsmann den Rücken. Sie hatten  23 Stimmen im Rat, die CDU-Hausmacht 22. 23:22 - genau so ging die Wahl aus. Siebenkotten wurde mit einer Stimme Vorsprung der „erste hauptamtliche Bürgermeister in der Geschichte der Stadt Willich“.

Der damalige Viersener Oberkreisdirektor Dr. Hans Christian Vollert hat die Wahl Siebenkottens in Willich mit „das große Beben“ kommentiert. Dieses Zitat ist heute die Titelzeile über Siebenkottens  Buchbeitrag zur jungen Stadtgeschichte.

17 Termine an einem
Wochenende waren der Rekord

Die Atmosphäre in Willich, beschreibt Siebenkotten, sei „extrem aufgeheizt“ gewesen. Er  arbeitete sich in seine neue Rolle ein. Sein „persönlicher Berufstraum“ sei der Stadtdirektor alter Prägung“ gewesen. Nun sollte er auch repräsentieren. Davor hatte Siebenkotten „etwas Bammel“, wie er schreibt. Später habe  er aber „geradezu eine Leidenschaft“ für die repräsentativen Aufgaben entwickelt. 17 Termine an einem Wochenende waren Spitze. „Mein absoluter Rekord.“

Verwaltungsreform, Schulen- und Kita-Neubauten, Wirtschaftsförderung, Stärkung der Schlossfestspiele – diese Themen fließen in das positive Fazit Siebenkottens über seine Bürgermeisterjahre ein. Das „vielleicht größte Projekt“ seiner Amtszeit sei die Verwaltungsreform gewesen, die Zusammenfassung von Ämtern zu größeren Geschäftsbereichen,  unter anderem mit dem Ziel, Personalkosten nicht zu sehr in die Höhe steigen zu lassen. Besonders schätzte Siebenkotten die Arbeit des späteren Ersten Beigeordneten Willy Kerbusch,  „der der eigentliche Motor unserer Verwaltungsreform war und für jedes Problem eine Lösung wusste“. Zudem habe dieser sich „unter schwarzen wie roten Chefs stets „absolut loyal erwiesen“.

Mehrmals geht Siebenkotten auf das Zusammenwirken von Menschen ein, die während seiner vier Bürgermeisterjahre Verantwortung in Verwaltung und Politik übernommen haben. So schreibt er über die damalige Verwaltungsspitze, zu der neben Kämmerer Theo Eckelboom die Beigeordneten Martina Stall und Christoph Gerwes zählten: „(Sie) arbeitete sehr konstruktiv zusammen.“ Trotz unterschiedlichen Temperaments – vier Wahlbeamte, einer von der CDU, einer von der SPD und zwei, die  keiner  Partei angehörten. Siebenkotten kommentiert das mit Gegenwartsbezug: „Multikulti in Verwaltungsspitzen ist auch heute noch empfehlenswert.“

Sachfragen standen
im Vordergrund

Das mit Abstand  „engste und bestes Arbeitsverhältnis im politischen Raum“ hatte Siebenkotten mit Bernd-Dieter Röhrscheid, dem SPD-Fraktionschef. Sehr gut funktioniert habe die Zusammenarbeit mit dem bereits verstorbenen Rolf-Hasso Wagner (CDU), der es seinerseits gut mit Röhrscheid konnte. Es habe in seinen Amtsjahren „kaum große Kontroversen“ gegeben, Sachfragen hätten im Vordergrund gestanden.

1999 hatte Siebenkotten gehofft, die Wähler in der ersten Bürgermeister-Direktwahl persönlich überzeugen zu können. Sein im Vergleich zu seiner Partei SPD gutes Wahlergebnis hat damals aber nicht gereicht. Josef Heyes löste ihn ab. Die Frage, wie es mit mehr Rückenwind aus  Berlin in Willich gelaufen wäre, stellt sich Siebenkotten zuweilen heute noch.

2020 wird ein spannendes Wahjahr. Welche Kandidaten kommen noch, wer wird Gewinner, wer Verlierer? Politisch und personell werden in Willich neue Weichen gestellt.  Im Rat und in der Verwaltung. Erfahrene Denker und Lenker wie Röhrscheid und Kerbusch treten ab. Lukas Siebenkotten wird (vielleicht von Berlin aus) mit großem Interesse die  Stimmenauszählung  erwarten. Ob es lokal noch einmal eine Schlagzeile in Willich gibt, wie die zu seiner Amtszeit: „Das große Beben“?

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