Düsseldorfs traditionsreiche Kunstausstellung Am Samstag startet „Die Große“

Düsseldorf · Die rheinische Kunstszene trifft sich im Kunstpalast zur traditionsreichen Verkaufsmesse. Das Ergebnis ist erfrischend lebendig.

 „Das Schlafzimmer“ (oben) stammt aus der Serie „Camera obscura“ von Baerbel Moellmann.

„Das Schlafzimmer“ (oben) stammt aus der Serie „Camera obscura“ von Baerbel Moellmann.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

„Die Große“ ist die große Kunstausstellung NRW, eine Kunst- und Verkaufsmesse. Diesmal bewarben sich 1000 Künstler, rund 170 wurden ausgewählt. Sie zeigen ihre Werke nicht nur im Kunstpalast, sondern erstmals auch im NRW-Forum. Damit die Fangemeinde trotz Corona feiern kann, findet die Vernissage am Samstag, 19. Juni, unter freiem Himmel statt. Die Spitzen des Landes, des Landtags und der Stadt haben sich für 18 Uhr angesagt.

Die Schau, vom Verein zur Veranstaltung von Kunstausstellungen schon seit 119 Jahren organisiert, umarmt die gesamte rheinische Szene – was natürlich nicht gelingen kann, weil „Die Große“ ohne die ganz Großen auskommen muss. Dennoch ist das Ergebnis unter Ausstellungsleiter Michael Kortländer erfrischend lebendig. Das gilt vor allem für die Fotografie, die eine ganze Etage im Kunstpalast einnimmt. Hier haben die Mitstreiter den Respekt vor dem perfekten Bild aus der Becher-Klasse längst verloren, zum Wohle des Experiments.

Tim Berresheim, der Star aus Aachen, verquickt auf dem Barytpapier handgemalte Details mit digital generierten Bildern. Rainer Knaust druckt seinen Wasserbehälter auf Graspapier und umgibt ihn mit einem „Frühstück im Freien“ frei nach Manet. Der Kommunikationsdesigner Andreas Rzadkowsky lässt „Heilige Kühe“ in Landschaftsfotos ferner Jahrhunderte grasen. Und der Musiker Hardy Döhrn zieht ein analoges Foto mithilfe von Fotoemulsion auf Aquarellpapier ab, um sich in blödelnden Titeln über die Wichtigtuer in der Kunst hinwegzusetzen.

Internet und Digitales bestimmen längst fast alle Disziplinen der Kunst. Ralf Brueck, der bei Becher und Ruff studiert hat, wollte nicht länger „nur auf den Auslöser drücken“, wie er sagt. Während er im Wohnwagen durch Amerika kurvte, entstanden Bilder von ausrangierten Möbeln, die er digital bearbeitete, bis die Farben an Graubners Malerei erinnerten. Arpad Dobriban, eigentlich Fachmann für die Ökologie des Alltags, präsentiert Cyanotypien auf Papier. Sabine Dusend holt ihre alte digitale Kompaktkamera hervor und fotografiert mit einem modernen Apparat, wie beim Löschen der Aufnahmen tolle Pixel entstehen, die sie nun als Inkjet-Prints ausdruckt. Bernard Lokai, ehemaliger Richter-Schüler, lockt mit fast immateriellen Farben, die zumindest ans Digitale erinnern.

In der Malerei hat Silke Albrecht ihren großen Auftritt. Sie malt, sprayt, „kupfert“ und mixt hyperrealistische Blumen mit übersprayten Atelierresten und perforierten Blechen, hinter denen die Malerei nur noch wie im Dschungelbild zu erahnen ist. Die letzten Abgesandten der Anzinger-Klasse beweisen das hohe Niveau in der Malerei. Florian Fausch, der sich lange mit der Addition von Motiven und Maltechniken herumgeschlagen hat, wirkt wie befreit. Er suggeriert mit Pinsel und Sprayflasche lauter kleine Farb­inseln, die optisch brillant wirken. Janes Haid-Schmallenberg tritt mit viel Humor aus dem Schatten grotesker Vorgänger heraus. Nico Mares präsentiert den Zauber der Farben wie auf dem Präsentierteller.

Den Mittelpunkt der Schau bildet das Werk des 84-jährigen Fritz Josef Haubner, Autodidakt, Lebenskünstler und Preisträger der Künstler. Er hatte sein Geld als Diplom-Sozialarbeiter verdient, als vor 40 Jahren sein Nachbar starb und ihm Pinsel und Farben vererbte. Die Holzstücke als Trägermaterial fischte er sich aus dem Wasser von Rhein und Nordsee oder holte sie aus Abbruchhäusern. Diese alten, verwitterten und abgewetzten Bretter bemalt er frisch, frank und frei. Manches wird wie ein Kalauer auf die konkrete Kunst, erinnert an abstrakte Häuschen wie von Horst Antes, ist ein perfektes Abbild einer Mini-Moschee. Das Werk der Förderpreisträgerin Liza Dieckwisch wirkt dagegen recht gefällig.

Die Skulptur ist mäßig vertreten. Unter den Werkstattleitern, die den Ehrenhof bespielen, ragen vor allem Andreas Bee und Axel Kreiser mit Cortenstahl-Skulpturen hervor. Im Innern des Museums ist es Nele Waldert, die mit Pappmaschee und Alabastergips Entwürfe liefert, wie sie die Kunstkommission schon längst hätte wachküssen sollen. So viel Poesie bei so viel Bescheidenheit in der Figur ist selten.

Am Ausgang des Kunstpalastes klebt ein Spruch auf dem Boden: „Als sie gingen, hinterließen sie keine Spuren“. Alle Texte auf Böden und Wänden stammen aus der Klasse Piller, die subversiv und ironisch die Ausstellung begleitet.

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