Zuwanderung: Eine politische Gratwanderung

Regierung legt Zwischenbericht zur Armutszuwanderung vor.

Ein Kommentar von Stefan Vetter.

Ein Kommentar von Stefan Vetter.

Foto: k r o h n f o t o .de

Auf der Empörungsskala rangieren Debatten über vermeintliche oder tatsächliche Sozialschmarotzer weit oben. Und geht es dabei auch noch um Ausländer, kommen die Stammtische erst recht in Wallung. Die CSU hatte sich diese latente Grundstimmung populistisch zu Eigen gemacht. Ihr Schlachtruf „Wer betrügt, der fliegt“ wurde zum Aufreger über die sogenannte Armutszuwanderung.

Mit dem am Mittwoch veröffentlichten Zwischenbericht der Bundesregierung ist das brisante Thema nun endlich auf eine sachliche Ebene zurückgeführt worden. Die Bestandsaufnahme zeigt, dass eine pauschale Diskriminierung von Rumänen oder Bulgaren genauso unsinnig, ja gefährlich wäre, wie eine Verharmlosung des Problems.

Schon dieser Befund ist ein Wert an sich. Denn dadurch haben Ideologen sowohl weit rechts als auch ganz links des Meinungsspektrums schlechte Karten. Die Reisefreiheit sowie die Freizügigkeit im Arbeits- und Niederlassungsrecht gehören zu den wertvollsten politischen Errungenschaften des alten Kontinents. Deutschland profitiert davon in besonderem Maße. Das hat sich gerade in der Finanzkrise gezeigt, als viele junge Leute ihre Heimatländer verließen, um in Deutschland einen Job zu finden. Dass sich auch durch Zuwanderung der Fachkräftemangel eindämmen lässt, dürfte einleuchten.

Von einer massenhaften Einwanderung in die Sozialsysteme, wie es die CSU suggerierte, kann keine Rede sein. Gerade einmal 0,7 Prozent der Hartz-IV-Empfänger stammen aus diesen Staaten. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Zahl der Hilfeempfänger stark gestiegen ist. Und dass es dabei nicht immer mit rechten Dingen zugeht. Gerade deshalb klingt es vernünftig, bei der Ausstellung von Aufenthaltsbescheinigungen oder der Anmeldung eines Gewerbes genauer hinzuschauen. Auch die Gewährung von Kindergeld ist zumindest missbrauchsanfällig und gehört stärker überprüft.

Allerdings bedeuten solche Maßnahmen immer auch eine Gratwanderung. So richtig und wichtig es ist, die Aufregung über Missstände nicht im Sande verlaufen zu lassen, so fatal wäre am Ende die Botschaft, dass Ausländer bei uns nicht willkommen sind. Damit würde sich Deutschland am meisten schaden.

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