Meinung Zu wenige Polizisten für zu viele Aufgaben

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) ist in diesen Tagen verschnupft. Die schwere Erkältung hindert ihn gestern aber nicht, doch die Verkehrsunfallbilanz 2015 vorzustellen. Nach den Vorfällen in der Kölner Silvesternac ht und allem späteren politischen Getöse ein Termin der positiveren Art, wie sich angesichts der Zahlen vermuten lässt.

Das stimmt aber nicht. Zwar ist es unbestritten ein Talent von Jäger, positive Aspekte aus seinem Wirkungskreis hervorzuheben und weniger rühmliche zu übergehen. Aber das funktioniert momentan nur bedingt. Er spricht von massiven Tempokontrollen, die Gewerkschaft der Polizei NRW (GdP) mangels Personal von deren deutlichem Rückgang, folgert daraus Stagnation statt Verbesserung. Es ist einleuchtend, dass sich der technische Fortschritt der Fahrzeuge positiv auf die Unfallstatistiken auswirken müsste. Allerdings schaden Kontrollen nicht, weil viele Unfälle auf Fehlverhalten der Fahrer zurückzuführen sind.

Jäger tut aber so, als ob die Behörden nach wie vor alles im Griff hätten. Dass die Themen Flüchtlinge, Einbrecherbanden, Rocker, Islamisten, No-Go-Areas — die es seiner Meinung nach nicht gibt — inklusive Verkehrsüberwachung plus Blitz-Marathon mit dem vorhandenen Personal zu stemmen sind. Wie denn, ohne die Zahl der Überstunden der Beamten deutlich zu erhöhen? Stand jetzt: Etwa 39 000 Polizisten im aktiven Dienst schieben 3,7 Millionen Überstunden vor sich her, die in den vergangenen zehn Jahren entstanden sind und nicht abgebaut werden konnten. Hinzu kommen 1,6 Millionen neue.

Fakt ist, dass die Polizeikräfte aufgestockt werden müssen, um alle aktuellen Anforderungen zu bestehen. Aber wer soll das angesichts der knappen Landeskassen bezahlen? Jäger will durch Umstrukturierungen in den Behörden im laufenden Jahr „500 zusätzliche Polizisten auf die Straße bringen“. Wie genau, sagt er nicht. Hinzu kommen 1920 Neueinstellungen, diese Zahl wurde in der Tat im Vergleich zu den Vorjahren (1520) erhöht. Das sind allerdings Auszubildende, die erst in drei Jahren zur Verfügung stehen.

Das Damoklesschwert über dem Personalstand der Polizei ist aber die vorhersehbare „Pensionierungswelle“. Ab 2019 werden laut GdP jährlich mehr als 2000 Beamte in den Ruhestand gehen. Dann reichen die nur bis zum nächsten Jahr in Aussicht gestellten 1920 Neueinstellungen nicht, um die Personalstärke überhaupt zu halten, geschweige denn zu erhöhen.

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