Justiz Anklage trotz Freispruch - Ja, das ist gerecht

Meinung · Dass ein rechtskräftig Freigesprochener doch noch einmal angeklagt werden darf, verstößt gegen die wichtige Regel, dass ein rechtskräftiges Urteil auch Bestand haben muss. Und doch müssen in Extremfällen Ausnahmen gemacht werden.

  Nun kommt es also doch  – das Gesetz, nach dem sich auch ein freigesprochener Angeklagter nicht mehr sicher sein kann, weiterhin unbehelligt zu bleiben.

 Nun kommt es also doch  – das Gesetz, nach dem sich auch ein freigesprochener Angeklagter nicht mehr sicher sein kann, weiterhin unbehelligt zu bleiben.

Foto: dpa/Oliver Berg

 Nun kommt es also doch  – das Gesetz, nach dem sich auch ein freigesprochener Angeklagter nicht mehr sicher sein kann, weiterhin unbehelligt zu bleiben. Ihm kann ein neues Verfahren drohen. Zwar gibt es gewichtige Einwände gegen eine solche Durchbrechung der Rechtskraft. Und doch ist die Reform richtig.

Es gehört zum Gerichtsalltag: Jemand wird angeklagt, es bleiben Zweifel – Freispruch. Was aber, wenn es später erdrückende Beweise gibt, die den alten Verdacht in neuem Licht erscheinen lassen? Soll sich da die Justiz taub und blind stellen? Gewiss, die Rechtskraft, die Sicherheit, dass ein Verfahren auch mal endgültig abgeschlossen sein muss, ist ein wichtiger Wert. Irgendwann muss die Sache ein Ende haben. Rechtsfrieden soll einkehren. Akte geschlossen. Mit wachsendem Zeitablauf, Jahre und Jahrzehnte nach der Tat, ist ja auch eine Prozessführung äußerst kompliziert. Gerechtigkeit zu üben wird da immer schwieriger.

Aber was ist das überhaupt, Gerechtigkeit? Ist ein Urteil bereits dann gerecht, wenn es nach den Regeln des Strafprozesses zustande kam? Auch ein „im Zweifel für den Angeklagten“ ergangener Freispruch ist sehr wohl gerecht in diesem Sinne. Es gibt keinen Freispruch zweiter Klasse. Doch in seltenen Fällen kann ein nachträglich aufgrund verbesserter Kriminaltechnik gefundenes Beweismittel aus der formalen Gerechtigkeit des Freispruchs eine schreiende Ungerechtigkeit machen.

„Schreiende Ungerechtigkeit“ sei keine juristische Kategorie, sagen die Kritiker des neuen Gesetzes. Auch eine schreiende Ungerechtigkeit dürfe doch nicht den Rechtsstaat zum Schweigen bringen.  Rechtskraft sei essenziell für den berechenbaren Rechtsstaat. Es dürfe keinen Freispruch unter Vorbehalt geben. Niemand dürfe zwei Mal in derselben Sache angeklagt werden. Doch es ist genau anders herum: Der Rechtsstaat schweigt gerade nicht, wenn er in Extremfällen eine formale durch eine inhaltliche Gerechtigkeit ersetzt. Er stellt sich gerade nicht taub und blind.

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