Westerwelles Zeit ist abgelaufen

Nur mit einem neuen Chef kommt die FDP aus dem Tief

Hat eine Partei, auf die Folgendes zutrifft, überhaupt eine Zukunft? — Sie verliert innerhalb von 15 Monaten, zumindest in Umfragen, 80 Prozent ihrer Wähler! Nachdem sie seit dem Krieg 42 Jahre, also so lange wie keine andere Partei, im Bund an Regierungen beteiligt war, droht ihr der Sturz in die Bedeutungslosigkeit!

Und ihre Landesverbände schämen sich des Bundesvorsitzenden derart, dass sie ihn in Wahlkämpfen nicht mehr plakatieren! — Die Situation ist so ernst, dass der FDP gar nichts anderes übrig bleiben wird, als ihren Vorsitzenden Westerwelle abzulösen. Ob das in den nächsten Tagen oder nach dem Dreikönigstreffen geschieht, ist zweitrangig. Nach desaströs verlorenen Landtagswahlen im Südwesten käme der Schritt auf jeden Fall zu spät.

Guido Westerwelle hat zwar vor mehr als zehn Jahren als jugendlicher Hoffnungsträger den blassen Parteivorsitzenden Wolfgang Gerhardt abgelöst, damit einen durchaus belebenden Generationswechsel bei den Liberalen geschafft und durch mehr oder minder pfiffige Aktionen viel Aufmerksamkeit für die FDP erzeugt.

Er hat sie sogar zum besten Wahlergebnis aller Zeiten geführt. Doch was Westerwelle nicht geschafft hat, ist das persönliche Umschalten vom Oppositions-Lautsprecher zum Staatsmann. Viele empfinden sein Auftreten schlicht als peinlich. Insofern ist es sogar offen, ob er nach dem Verlust des FDP-Vorsitzes noch lange Außenminister und Vizekanzler bleiben kann.

Wenn Westerwelle nicht die gesamte FDP in die Bedeutungslosigkeit schicken will, muss er gleich nach seiner Rückkehr vom Urlaub am Roten Meer Konsequenzen ziehen. Sonst ist es fraglich, ob die Partei, die 1949 mit Theodor Heuss sogar den ersten Bundespräsidenten stellte, eine Zukunft in deutschen Parlamenten hat. Das wäre schade, weil unsere Demokratie wichtiges liberales Gedankengut verlöre.

Allerdings muss die FDP auch eine überzeugende Nachfolge-Lösung für Westerwelle finden. Ein erfahrener Mann wie Wirtschaftsminister Rainer Brüderle wäre, zumindest als Interimslösung, hilfreicher als der 31-jährige Christian Lindner oder der 37-jährige Philipp Rösler. Dass am Dienstag sogar Spekulationen um die Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin als Führungskraft kursierten, zeigt, wie verzweifelt die Stimmung ist.

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