Kommentar Was die Weihnachtsrhetorik dieser Corona-Pandemie so kurios macht

Meinung | Wuppertal · Die Werbebotschaft der Politik kann man für notwendig halten, man kann sie aber auch als eine dramatisch simple Beleidigung des kollektiven Intellekts einordnen. Ein Kommentar.

  Frauen stehen neben einem Hinweisschild zur Maskenpflicht an einer Haltestelle in Bonn.

Frauen stehen neben einem Hinweisschild zur Maskenpflicht an einer Haltestelle in Bonn.

Foto: dpa/Oliver Berg

Die kuriose Weihnachtsrhetorik dieser Corona-Pandemie ist bereits vor Monaten auffällig einhellig angestoßen worden. Aus Berlin, aus Düsseldorf, aus fast allen Landen. Und sie hält bis heute an: aufwändig verabredet und eisern durchgehalten. Tenor: Wenn Ihr Euch alle gut und rücksichtsvoll verhaltet, gibt es zu Weihnachten die Geschenke in Form von zureisenden Verwandten. Hosianna!

Diese seit vielen Wochen genutzte Werbebotschaft der Politik kann man für notwendig halten angesichts so vieler Menschen, die sich immer noch in vollem Bewusstsein in jedes Corona-Risiko stürzen, das alle in Gefahr bringt. Aber man kann das auch als eine dramatisch simple Beleidigung des kollektiven Intellekts einordnen, fern jedes Zutrauens in die Vernunft der Bürger. Auch, weil Weihnachten vielleicht für eine bestimmte Gruppe von Menschen ein heiliges Ziel sein mag, für das es sich zu darben lohnen mag, sicher aber nicht für alle. Wahrscheinlich nicht einmal für die große Mehrheit.

Denn bei allem Verständnis für die gefühlten Notwendigkeiten der Regierenden ist es doch eine selbstdefinierte Sehnsucht, die dem christlichen Weihnachtsfest diese besondere Bedeutung beimisst. Eine Bedeutung, die zum Beispiel anderen religiösen Festen in der jüngeren Vergangenheit gänzlich versagt geblieben ist. Während man also den einen über Monate ihr Heiligstes nimmt, was auch immer das aus der Schar der Klagenden gewesen sein mag, wird für die Weihnachtszeit eine Art Generalamnestie verfügt, über die sich jetzt aber bitte auch alle zu freuen haben. Vorher alle nochmal in die freiwillige Selbstquarantäne und dann mit Gottes Hilfe hinein in die (private) Menschenmenge, die zuvor – so zusammengestellt – noch fast von allen Seiten als Hauptinfektionstreiber identifiziert worden war.

Das mag viele Menschen freuen, logisch ist es nicht. Und auch ein bisschen egoistisch, wenn wir ahnen, dass Weihnachten für viele gar nicht eine solch besondere Rolle einnimmt, wie sie der Gesellschaft gerade zur Kenntnis gegeben wird.

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