Meinung Warum man mit Mittelmeer-Flüchtlingen keinen Wahlkampf machen sollte

Schulz und die Grünen versuchen, den Flüchtlingszustrom übers Mittelmeer zum Wahlkampf-Thema zu machen. Damit nützen sie höchstens den Rechten.

Berlin. Die Frage, ob man die Mittelmeerflüchtlinge zum Thema im Wahlkampf machen darf, ist etwas schräg. Sie unterstellt, irgendwer könne kontrollieren, mit welchen Themen sich die Wähler beschäftigen. Doch die Themen bahnen sich von selbst ihren Weg. Das Flüchtlingsproblem freilich tut das derzeit noch nicht. Weder werden die aktuellen Zahlen von den Deutschen schon als akute Bedrohung wahrgenommen, noch sind sie eine. Denn nur ein Bruchteil der Betroffenen gelangt bisher zu uns.

Martin Schulz, neuerdings auch die Grünen, versuchen trotzdem, mit dem Problem etwas Bewegung in den bislang so wenig zugespitzten Wahlkampf zu bringen. Doch hat das allenfalls den Effekt, dass man so den Rechten ein schon verloren geglaubtes Thema wieder gibt. Der Versuch, damit die Kanzlerin anzugreifen, muss jedenfalls scheitern. Denn real hat die SPD bezüglich der Mittelmeerflüchtlinge nicht nur in den letzten vier Jahren keine andere Politik betrieben als die Union, sie hat auch für die nächsten vier Jahre keine anderen Antworten. Und auch das gestern veröffentlichte Positionspapier der Grünen unterscheidet sich von der Linie der Großen Koalition allenfalls in dem Punkt, auch einen legalen Korridor nach Europa zu öffnen. Der Rest ist Konsens: Fluchtursachen bekämpfen, Libyen stabilisieren, Rückkehrprogramme auflegen, gegen Schlepper vorgehen, Flüchtlinge europaweit verteilen. Die, die im Meer schwimmen, müssen gerettet werden, und die, die sich künftig auf den Weg machen, müssen irgendwie davon abgehalten werden.

Nur: Mit all dem ist man über Jahre nicht wirklich vorangekommen. Da hat Emmanuel Macron in dieser Woche bei seinem Treffen mit den libyschen Konfliktparteien schon an einem einzigen Tag mehr erreicht. Aber bis das zu einem Abkommen ähnlich wie mit der Türkei führt, ist es auch noch ein sehr langer Weg. Und bei der Verteilung von Flüchtlingen in Europa hakt es weiterhin am Widerstand der Osteuropäer, da gelingt niemandem derzeit ein Durchbruch. Ganz zu schweigen von der Stabilisierung der Herkunftsländer. Das ist die Lage. Das Problem ist sehr schwer lösbar und unglaublich komplex. Union und SPD, selbst die Grünen, sollten hier nicht unnütz ihre Energie gegeneinander vergeuden, wenn sie sich schon im Grundsatz einig sind.

Schulz kennt als ehemaliger EU-Parlamentspräsident die Situation im Übrigen längst bestens. Deswegen hätte er nicht eigens nach Rom und Sizilien reisen müssen. Auch nicht, um nachzuweisen, dass er jederzeit mit jedem europäischen Ministerpräsidenten sprechen kann. Das hat niemand bezweifelt. Seine gestrige Reise war Wahlkampf. Angela Merkels eiliges Urlaubs-Telefonat mit Italiens Premier, einen Tag vor Schulz‘ Reise, freilich ebenso. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Dass die deutsche Autoindustrie gerade an einem historischen Wendepunkt steht, war beiden in dieser Woche keine ähnlichen Aktivitäten wert.

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