Meinung Warum man Ex-EZB-Präsident Draghi nicht als Buhmann abstempeln kann

Meinung | Berlin · Mario Draghi soll das Bundesverdienstkreuz bekommen. Viele Bundesbürger werden das als Provokation empfinden. Draghi zum Buhmann abzustempeln, greift aber trotzdem zu kurz.

 Mario Draghi, Ex-Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB).

Mario Draghi, Ex-Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB).

Foto: dpa/Arne Dedert

Die Fangemeinschaft von Mario Draghi dürfte in Deutschland sehr überschaubar sein. Mit seiner ultralockeren Geldpolitik mag der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank den Euro vor dem Crash bewahrt haben. Doch für die Sparer ist der Mann zum Albtraum geworden. Draghis Name steht wie kaum ein anderer für die Zerstörung einer deutschen Tugend: Zinsen bekam, wer Geld für schlechte Zeiten beiseitelegte, Zinsen zahlte, wer sich Geld für was auch immer borgte. Heute muss man für Spareinlagen zum Teil sogar blechen. Und dafür soll Draghi jetzt das Bundesverdienstkreuz bekommen? Viele Bundesbürger werden das als Provokation empfinden. Draghi zum Buhmann abzustempeln, greift aber trotzdem zu kurz.

Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins ja nicht aus Lust und Laune auf Null gedrückt. Die EZB agiert nicht im luftleeren Raum, sondern unter konkreten ökonomischen Verhältnissen. Und da ist es nun einmal so, dass sich ein Euro-Land wie Deutschland höhere Zinsen leisten könnte, andere Euro-Staaten wie Italien oder Griechenland damit aber wohl vor dem Kollaps stünden. Die großen wirtschaftlichen Unterschiede in der Währungsgemeinschaft sind eine Hauptursache für die Misere. Geschehen konnte das nur, weil sich manche Länder vor Reformen gedrückt oder auch schlicht über ihre Verhältnisse gelebt haben. Aber auch wirtschaftlich stärkere Nationen leben inzwischen ganz gut vom Nullzins. Allen voran Deutschland. Hier bekommt der Staat tatsächlich noch Geld oben drauf, wenn er sich welches borgt. Den Bürgern wenigstens einen Teil der Zinsersparnisse etwa in Form niedrigerer Steuern oder zusätzlicher Anreize für die Altersvorsorge zurückzugeben, davon ist die Regierung in Berlin freilich weit entfernt.

 Stefan Vetter.

Stefan Vetter.

Foto: k r o h n f o t o . d e

Am Ende kann man es auch so sehen: Dank Draghis EZB-Politik schwimmt der Bund im Geld. Da zeigt man sich eben mit einem Orden erkenntlich. So einfach ist das. Und so schwer erträglich.

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