Meinung Warum Heils neues Konzept für die Grundrente ein Wunschtraum bleibt

Berlin · Die „Grundrente“ für alle: Das klingt fast zu schön um wahr zu werden. Was der Minister vorhat, zielt weit über den Anspruch der Armutsbekämpfung hinaus. Ein Kommentar.

 Symbolbild.

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Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Gleich mehrere Bundesregierungen haben sich schon an der Einführung einer Rente für Geringverdiener versucht, die vor Armut im Alter schützen soll. Mal scheiterten sie am politisch-taktischen, mal am technischen Klein-Klein. Manchmal auch an beidem. Nun will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ein ganz großes Rad drehen. Was in seinen Vorstellungen eben noch als eher mickrige „Respekt-Rente“ für gerade einmal 130.000 Anspruchsberechtigte daher kam, hat der SPD-Politiker jetzt zu einer „Grundrente“ für Millionen ausgeformt. Das klingt fast zu schön um wahr zu werden. Die Gefahr ist groß, dass sich Heil dabei überhebt.

Was der Minister vorhat, zielt weit über den Anspruch der Armutsbekämpfung hinaus. Denn nach seinem Konzept soll es für die Grundrente keine Bedürftigkeitsprüfung geben. Das heißt, die Zahnarztgattin, die in der Praxis ihres Mannes lange Zeit stundenweise mitgearbeitet hat, bekommt ihre Kleinstrente genauso aufgestockt wie eine Friseurin, die sich mit dem Mindestlohn über Wasser hält. Auf der anderen Seite geht leer aus, wer nicht wenigstens 35 Versicherungsjahre vorweisen kann. Auch das hat mit Gerechtigkeit wenig zu tun, denn ein Vollzeitarbeiter mit vielleicht 34 Beitragsjahren fällt auf diese Weise ganz unter den Rost, während sich sein Kollege in Teilzeit mit nur zwölf Versicherungsmonaten mehr über eine deutliche Anhebung seiner Altersbezüge freuen kann. Mit Respekt vor der Lebensleistung, die Heil jetzt so gern im Munde führt, hat das wenig gemein.

Im Kern sind seine Pläne auch nicht ganz neu. Bis zum Jahr 1992 gab es eine sogenannte Rente nach Mindesteinkommen. Dabei wurden die Altersbezüge vormaliger Geringverdiener so weit aufgestockt, als hätten sie wenigsten 75 Prozent des Durchschnittslohns erzielt und darauf Beiträge gezahlt. Nach Heils Plänen soll die künftige Grundrente sogar auf 80 Prozent der Durchschnittsbezüge basieren. Im konkreten Fall können sich die Altersbezüge dadurch beinah verdoppeln. Für Betroffene sicher eine gute, für die Gesellschaft aber eben auch eine sehr teure Sache. Schon die Rente nach Mindesteinkommen wurde schließlich aus Kostengründen abgeschafft. Und damit wird auch die größte Schwachstelle an Heils Konzept offenkundig: Bis auf den allgemeinen Hinweis, die Grundrente aus dem Steuertopf zu bezahlen, ist dem Minister nichts zur Finanzierung eingefallen. Und da wird es ärgerlich. Denn sein Konzept weckt natürlich große Erwartungen.

 Stefan Vetter.

Stefan Vetter.

Foto: k r o h n f o t o . d e

Auf einen mittleren einstelligen Milliardenbetrag sollen sich die Kosten pro Jahr belaufen. Tendenz wohl eher steigend, denn der Niedriglohnsektor hat nach der letzten Jahrtausendwende kräftig Fahrt aufgenommen. Zur Ehrlichkeit hätte es daher gehört, geplante Steuersenkungen in Frage zu stellen. Vor allem den Abbau des Solidarzuschlags. Aber das ist das Lieblingsprojekt der Union. So spricht derzeit einiges dafür, dass Heils großes Renten-Rad genauso ein Wunschtraum bleibt wie die „Zuschussrente“ oder „Solidarrente“ der Vorgänger-Regierungen.

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