Wahlkampf: In Sachen Europa gründlich neu denken

Erst nach der Wahl werden wirklich Weichen gestellt

Helmut Kohl hat es bei Steuern getan, Helmut Schmidt bei Renten. Leider sind wir daran gewöhnt, dass Politiker vor der Wahl gegebene Versprechen nicht einhalten, manchmal sogar das Gegenteil eintritt.

Vergleichbares zeichnet sich bei den Hilfen für Griechenland ab. Es wird ein drittes Hilfspaket geben, obwohl das die Kanzlerin bislang verneinte. EU-Kommissar Günther Oettinger nannte am Wochenende sogar schon Zahlen.

Doch die Frage, wie teuer uns die Hilfen für Griechenland am Ende wirklich kommen und wie sinnvoll sie sind, ist damit nicht beantwortet. Klar ist nur, dass Deutschland wie stets bei solchen europäischen Aktionen mit mehr als einem Viertel der Gesamtkosten beteiligt ist.

Der Plan Angela Merkels, Debatten um Griechenland und den Euro auf die Zeit nach der Wahl zu verschieben, funktioniert also nicht. Kurios ist, dass nicht die Opposition ihr das eingebrockt hat, sondern ihr eigener Finanzminister.

Wobei es Wolfgang Schäubles Geheimnis bleibt, ob ihm die Ankündigung eines dritten Hilfspakets unabsichtlich bei einer Wahlkampfveranstaltung herausrutschte, oder ob er wirklich bewusst als Verkünder der unbequemen Wahrheit wirken wollte.

SPD und Grüne wären dumm, wenn sie diese Vorlage nicht vier Wochen vor der Wahl zu Attacken vor allem gegen die Kanzlerin nutzen würden. Doch sie tun es dennoch relativ verhalten, um ein Eigentor zu vermeiden.

Zum einen würden sie nach einem Wahlsieg vor denselben Problemen wie die heutige Regierung stehen. Dann wären statt Solidaritäts-Appellen konkrete Lösungen gefragt. Zudem ist auch Rot-Grün nicht daran interessiert, mit Euro-Debatten der neuen Partei Alternative für Deutschland Wähler zuzutreiben, die auch aus ihren eigenen Lagern kommen könnten.

Nach der Wahl sollte die neue Regierung — wie sie sich auch zusammensetzen mag — die Grundsatzposition zu Europa überdenken. Wahrscheinlich ist die Idee, auf dem Kontinent überall gleiche Lebensbedingungen zu schaffen, falsch.

Europa kann nicht wie Amerika funktionieren, weil kulturelle, wirtschaftliche oder auch sprachliche Unterschiede zu groß sind. Ein vielfältiges und spannendes Europa könnte eine lohnenswerte Alternative sein.

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