Wahl paradox — sechs Parteien als Sieger

Schleswig-Holstein und sein sehr spezielles Ergebnis

Egal, wie sich das aufgrund des Wahlergebnisses schwierige Koalitions-Puzzle zusammensetzen wird: In Schleswig-Holstein gibt es mit der Linkspartei, die hochkant aus dem Landtag fliegt, nur einen echten Verlierer. Alle sechs Parteien, die künftig dem Parlament angehören, können sich als Sieger fühlen. Solche Interpretationen kennt man sonst nur aus oft unerträglichem Schönreden der Parteitaktiker nach Wahlen. Doch auch wenn es paradox klingt, in diesem Fall stimmt die Aussage — je nachdem, ob man das Wahlergebnis von 2009 oder die Erwartungen der vergangenen Monate als Maßstab nimmt.

Beide großen Parteien können zufrieden sein. Die SPD hat sich zwar getäuscht, als sie von einem klaren ersten Platz träumte, legte aber gegenüber 2009 deutlich zu. Die CDU, die wegen einer Liebesaffäre mit einem Teenager den Spitzenkandidaten wechseln musste, steht so gesehen relativ stark da. Denn dass es für sie zusammen mit der FDP nicht wieder zum Regieren reicht, war vorher klar. Und die FDP feiert mit Wolfgang Kubicki sogar eine Auferstehung. Allerdings dürfen die Liberalen nicht vergessen, dass sie gegenüber 2009 ihr Ergebnis fast halbierten.

Zurecht als Sieger fühlen sich neben den Piraten und dem SSW die Grünen, die mit dem pragmatischen und zurückhaltenden Robert Habeck ein weniger schrilles Profil als in Berlin haben. Sie hatten zwar zeitweise sogar von mehr als 20 Prozent geträumt. Trotzdem ist ihr Abschneiden gut und kann zum Mitregieren reichen.

Ein klarer Trend für die Wahl in NRW und für die Bundesrepublik insgesamt lässt sich aus dem Kieler Ergebnis vor allem bei den kleineren Parteien herauslesen: Die FDP kommt dank des kantigen Wolfgang Kubicki energisch zurück. Sein Schwung wird auch Christian Lindner in einer Woche in NRW helfen. Zu einer bundesweiten Kehrtwende reicht das allerdings nicht, solange es keinen Wechsel im Parteivorsitz gibt. Und die Piraten haben ihren Zauber trotz aktueller Irritationen noch nicht verloren. Eindeutig sieht es bei den Linken aus: Deren Auszug aus den westdeutschen Parlamenten hat begonnen.

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