Von der Schiene auf die Straße – grotesk

Stellen wir uns einmal vor: Wir stehen, ein Kind an der Hand, an einer Schienenstrecke, und wollen dem Kleinen eine Eisenbahn zeigen. Da kann einige Zeit vergehen, bis ein Zug kommt. Aber das Beispiel zeigt uns: Die Schiene hat noch Kapazitäten.

Die hat die Straße längst nicht mehr. Gerade in diesem Herbst ist der Verkehrskollaps der ständige Begleiter aller Berufspendler. Wer Langstrecken fahren muss, kann noch so clever planen: Irgendwo gerät er in einen Stau, der seine gesamte Kalkulation über den Haufen wirft.

In dieser Situation kündigt die Deutsche Bahn den massiven Ausbau eines bundesweiten Fernbus-Liniennetzes an. Wir hören richtig: Es sollen nicht mehr Reisende auf die Schiene, sondern es soll mehr Verkehr auf die Straße gebracht werden. Für 35 Euro im engen Bus von Köln nach Hamburg, Fahrzeit zirka siebeneinhalb Stunden. Wenn kein Stau, kein Glatteis und kein Schnee dazwischenkommt. Und der ICE fährt demnächst halb leer an die Alster, was wiederum die Bahn zwingt, den Fahrpreis auf der Schiene zu erhöhen. Grotesk.

Ein Gesetz von vor 75 Jahren schützt bis heute weitgehend das Beförderungsmonopol der Bahn auf der Langstrecke. Entsprechend sind die Fahrpreise gestaltet - unverschämt teuer für ein staatlich subventioniertes Unternehmen. Dass der Markt liberalisiert wird, ist im Grunde ein überfälliger Schritt. Dass aber im Gleichschritt die Bahn mit ihrer Wirtschaftsmacht ein neues Monopol auf der Fernstraße errichtet, ist ein falsches Signal.

Richtig ist, dass freie Busunternehmer künftig mit der Eisenbahn konkurrieren dürfen. Falsch ist, wenn dies über einen gnadenlosen Preiskrieg geschieht - beim Bahnbus-Netz ist bereits von Schnäppchen ab einem Euro die Rede. Ja, die Reise von Düsseldorf nach Dresden muss preiswerter werden. Aber nicht billig. Der billige Jakob auf der Straße geht einher mit technischen Mängeln und überfordertem Personal.

Die Deutsche Bahn tut gut daran, ihren Service auf der Schiene zu verbessern und die Preise für Fernreisen zu senken. Sie tut schlecht daran, auf der Straße einen Preiskrieg anzuheizen, der keinem Konkurrenten die Chance auf einen ehrlichen, sicheren Wettbewerb lässt. Jeder kennt die furchtbaren Bilder von Buskatastrophen - niemand möchte mehr davon sehen.

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