Meinung Virtuelles Krankenhaus - Die Krankenkassen haben den Schlüssel in der Hand

Meinung · Das virtuelle Krankenhaus ist eine verheißungsvolle Idee. Gesundheitsminister Laumann muss die Krankenkassen davon überzeugen. Und die werden mit ihrer Einwilligung auch harte Forderungen verbinden.

 Mit dem sogenannten virtuellen Krankenhaus soll die medizinische Versorgung in allen Regionen des Landes deutlich verbessert werden. Das kündigte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Freitag in Düsseldorf an.

Mit dem sogenannten virtuellen Krankenhaus soll die medizinische Versorgung in allen Regionen des Landes deutlich verbessert werden. Das kündigte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Freitag in Düsseldorf an.

Foto: dpa/David Young

Die Idee ist verheißungsvoll und dazu angetan, dem Schreckgespenst Digitalisierung einen konkreten Nutzen entgegenzustellen: ärztliche Koryphäen, die plötzlich auch den Problemfällen in der Provinz mit ihren Diagnose- und Therapiefähigkeiten zur Verfügung stehen. Aber schon der gesunde Menschenverstand sagt: Wenn eines Tages alle 344 Krankenhäuser und 12 900 niedergelassenen Fachärzte in NRW die digitalen Möglichkeiten haben, im virtuellen Krankenhaus mit ihren Patienten vorstellig zu werden, braucht es einen verdammt qualifizierten Türsteher, um das System vor dem Kollaps zu retten.

„Es kann nicht darum gehen, dass auch Oma Helga mal einen Professor spricht“, hat NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) in bewährt salopper Art formuliert. Aber wer entscheidet dann nach welchen Kriterien, ob Oma Helga wirklich so krank ist, dass der ferne Herr Professor eben doch via Bildschirm zu Rate gezogen wird – unter Kenntnis der Fallakte und aller bisherigen Diagnoseaufnahmen? Und sind die Ärzte vor Ort auch bereit und in der Lage, die Notwendigkeit fremder Expertise nicht nur zu erkennen, sondern die Ratschläge auch anzunehmen?

 Ein Kommentar von Ekkehard Rüger.

Ein Kommentar von Ekkehard Rüger.

Foto: ja/Sergej Lepke

Die Antworten können mitunter existenziell sein: Bei einer Studie, die 500 Patienten mit Lebermetastasen untersuchte, sahen die Spezialisten noch Operations- und damit Rettungsmöglichkeiten, wo die behandelnden Ärzte bereits jede Hoffnung aufgegeben hatten. Hier wäre das Vernetzungsversprechen des virtuellen Krankenhauses offenkundig eines zum Nutzen der Patienten.

Laumann weiß, dass ihm und seinem hochkarätig besetzten Gründungsausschuss bis zum Frühjahr der Nachweis gelingen muss, wie dieser Nutzen organisatorisch sicherzustellen ist, um die Krankenkassen endgültig auf seine Seite zu ziehen und die bundesweite Vorreiterrolle einzunehmen, die ihm vorschwebt. Denn die Zeit der Spezialisten lässt sich nicht beliebig vervielfältigen. Es bedarf einer verlässlichen Regelfinanzierung und zusätzlichen Personals, damit die ja auch erst noch zu schaffenden Vernetzungsstrukturen auf Dauer erfolgreich sein können. Die Krankenkassen haben dazu den Schlüssel in der Hand.

Aber ihr Wohlwollen sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie mit ihrer Einwilligung auch harte Forderungen verbinden werden: nach einer generellen Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft in NRW. Das klingt harmloser, als es ist. Dahinter verbirgt sich auch eine Kampfansage an manche kleinere Häuser und ihre beschränkten Möglichkeiten. Der Aufstieg des virtuellen Krankenhauses könnte mit dem Ausstieg manchen realen Krankenhauses einhergehen.

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