Verstaatlichung: Eine ganz pragmatische Enteignung

Ja, die Enteignung einer Bank ist ein Tabubruch. Wer mit der Zwangsverstaatlichung der Hypo Real Estate den Untergang der Marktwirtschaft heraufziehen sieht, ignoriert allerdings den noch größeren Tabubruch, der diesem Gesetz vorausgegangen ist: Eine einzige Immobilienbank musste mit 100 Milliarden Euro an Garantien und Kredithilfen vor dem Untergang bewahrt werden, damit sie nicht das international vernetzte Finanzsystem mit in die Tiefe reißt.

Der allergrößte Teil dieser unvorstellbaren Summe wurde notgedrungen vom Staat bereit gestellt. Die HRE sollte also längst den Steuerzahlern gehören. Mit der erzwungenen Übernahme der Anteile des US-Finanzinvestors Flowers bringt der Staat nur das in seine Hand, was ihm bereits zusteht. Und so verhindert er schlicht, dass Flowers aus der staatlichen Rettungsaktion noch Profit schlägt.

Es scheint eine typisch deutsche Eigenschaft zu sein, dass wir auch dann noch ideologische Debatten führen, wenn allein nüchterner Pragmatismus gefragt ist. Amerikaner und Briten - die ehemaligen Lehrmeister des angelsächsischen Kapitalismus - haben ihre Problembanken ohne jeden Skrupel verstaatlicht. Und wenn nun das amerikanische Repräsentantenhaus eine Sondersteuer von bis zu 90 Prozent erfindet, um sich die Boni zurückzuholen, die die Manager des Himmelfahrts-Versicherers AIG kassiert haben, kann man nur noch staunen.

Der Weckruf der liberalen Ordnungshüter in Deutschland geht auch insofern ins Leere, als sich der Staat die HRE nicht einverleibt, um den privaten Banken Konkurrenz zu machen. Es geht in Wahrheit um die langfristige Abwicklung einer Bank, die alle kaufmännischen Grundregeln über Bord geworfen hatte. Große Teile der HRE haben keine Daseinsberechtigung mehr. Skandalös ist an der Bankenpolitik der Bundesregierung allein eines: dass sie die Schadensfälle bei den Privatbanken abwickelt und ausgerechnet das Trümmerfeld der Landesbanken sich selbst überlässt. Die ursprünglich vereinbarte Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern funktioniert nicht. Auch diese Risikoinstitute haben ihre Funktion weitgehend verloren und müssen zurückgeschnitten werden. Ein Prozess, den nur die Kanzlerin moderieren kann.

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