Türkei: Einmischung von außen erwünscht

Die Ereignisse in der Türkei sind auch für Deutschland wichtig

Wer wirklich geglaubt hat, die Türkei sei unter der Führung der islamistisch-konservativen Partei AKP von Regierungschef Recep Tayyip Erdogan auf dem Weg in die Europäische Union, der wird dieser Tage eines Besseren belehrt. Es reichten ein paar der zugegeben zu wenigen Bäume in Istanbul, um einen landesweiten, gewaltbereiten Protest loszutreten.

Inzwischen sind die ersten Todesopfer zu beklagen, und Erdogan scheint den Rückwärtsgang nicht zu finden. Selbst mahnende Worte von Staatspräsident Abdullah Gül vermögen bisher nicht, die Gemüter zu beruhigen. Die Polizei schießt weiter mit allem, was sie hat, auf Demonstranten im ganzen Land. Die Bilder sind grausam. Sie erinnern an einen Bürgerkrieg. Und sie zeigen, was sich in den vergangenen Jahren offenbar in der Türkei aufgestaut hat.

Es ist die Regentschaft von Erdogan und Gül. Es ist die Rückkehr der Religion in die Politik, es ist die Abkehr von der deutlichen Trennung von Glauben und Staat. Die Türkei war lange auf dem Weg, den Staatsgründer Kemal Atatürk einst einschlug. Er wollte einen modernen Staat nach westlichem Vorbild, er wolltet Bildung für alle und vor allem wollte er keine Kopftücher. Spätestens mit der Präsidentengattin ist Letzteres gescheitert. Hayrünnisa Gül trägt Kopftuch und symbolisiert damit deutlich die Rückkehr des Islam in die Alltagspolitik. Diesen Weg wollen viele Türken offenbar nicht mitgehen.

Dennoch überrascht die jüngste Entwicklung in der Türkei. Die hat zwar im Grenzkonflikt mit Syrien Zähne gezeigt, gleichzeitig aber den Ausgleich mit dem inhaftierten Kurdenführer Abdullah Öcalan gesucht. Jetzt entsteht der Eindruck, dass damit nur die Risse übertüncht werden sollten, die sich in der türkischen Gesellschaft aufgetan haben.

Wie es in dem Land weitergeht, ist keine Frage, die nur Türken betrifft. Der Staat strebt immer noch in die Europäische Union, und innerhalb der Nato kommt ihm als Puffer zum zunehmend instabilen Nahen Osten eine wachsende Bedeutung zu. Deshalb und aus Gründen der Menschenrechte ist es richtig und notwendig, dass sich auch deutsche Politiker gegenüber Erdogan und dessen Ansichten von Demokratie klar und deutlich positionieren.

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