Meinung Heikle Trump-Anklage

Die Anklage gegen Ex-US-Präsident Donald Trump und die ungewissen politischen Folgen.

Trump
Foto: dpa/Evan Vucci

Lock her up – sperrt sie ein. Diese Rufe seiner Unterstützter heizte Donald Trump einst immer wieder gegen seine Konkurrentin Hillary Clinton an. Jetzt, da ihm selbst Gefängnis droht, sieht er das ganz anders. Das „Biden-Regime benutzt die Strafverfolgung als Waffe gegen politische Gegner“, sagte er mit Blick auf die ihm drohende Anklage. Das sei wie der „Horror des stalinistischen Russland“. Seinen Nachfolger mit Stalin zu vergleichen – kleinere Münze hat er nicht, wir kennen das von Trump. Hinter der aggressiven Reaktion des Ex-Präsidenten steckt freilich politisches Kalkül. Indem er sich als Opfer einer bösen Macht geriert, setzt er darauf, dass sich die eigenen Reihen, wie so oft schon, wieder hinter ihm schließen. Und dass ihm der Wirbel um die erste Anklage eines Ex-US-Präsidenten sogar noch nützt. Es mutet schon absurd an, dass ausgerechnet ein eher lässlich erscheinendes Verhalten – das Schweigegeld an einen Pornostar und dessen falsche Verbuchung – ihm juristisch das Genick brechen soll. Wären da nicht ganz andere Vorwürfe viel naheliegender, etwa seine Rolle beim Sturm auf das Capitol nach seiner Abwahl?

Wie Trump seine Unterstützer einschätzt, hat er schon früher so ausgedrückt: „Ich könnte mich auf die Fifth Avenue stellen und jemanden erschießen und würde keinen Wähler verlieren, das ist unglaublich.“ Doch er muss nicht einmal zum Täter werden, um diese Solidarität einzufordern. Die Opferrolle tut’s auch. Wenn er nämlich der Vorladung der Ankläger nicht folgt und dann in Handschellen vorgeführt würde. Wie sich entsprechende Bilder politisch auswirken würden, ist unabsehbar. Trump könnte es genau darauf anlegen. Selbst eine Verurteilung könnte ihn nicht daran hindern, weiter um seine Wiederwahl zu kämpfen. Eine Vorschrift wie unseren § 45 Strafgesetzbuch kennen die Amerikaner nicht. Hierzulande würde nach eben jener Vorschrift gelten: „Wer wegen eines Verbrechens zu Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird, verliert für die Dauer von fünf Jahren die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen.“

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