Meinung Trisomie-Bluttest auf Kassenkosten – das ist schlüssig

Meinung · Die Entscheidung muss auf die Sachfrage bezogen werden – nicht auf eine konstruierte Aussage über den Wert eines Menschenlebens.

 Juliane Kinast

Juliane Kinast

Foto: Judith Michaelis

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat entschieden, dass die Kosten für den Trisomie-21-Bluttest künftig übernommen werden können. Die einzig schlüssige Entscheidung. Gefallen wird sie nicht allen. Und das ist auch in Ordnung.

Nicht in Ordnung ist, diese Sachentscheidung zu etwas zu stilisieren, das sie ausdrücklich nicht sein will: Türöffner in eine selektive Gesellschaft, die entscheidet, welches Kind lebenswert ist und welches nicht. Ein Aufbauen von Druck auf die Eltern, was erlaubt und bezahlt ist, auch wahrzunehmen und sich rundum gegen ein behindertes Baby abzusichern. Oder gar eine Stigmatisierung jedes künftigen Trisomie-Kindes, das beäugt werden könnte mit der Frage, warum es da ist, wenn es doch gar nicht da sein müsste.

Mal weg von den Emotionen und hin zu den Fakten: Es geht hier um einen bereits erlaubten Test, es geht um eine Kostenübernahme in engen Grenzen für Einzelfälle. Nicht um ein neues Verfahren, das jetzt standardmäßig zu jedem CTG oder Ultraschall in der Schwangerschaft angeboten werden soll.

Natürlich: Werdende Mütter neigen in ihrem Bedürfnis nach perfekter Absicherung dazu, erst einmal zu jedem möglichen Test Ja zu sagen. So ging es mir ehrlich gesagt auch, als die Ärztin damals fragte, ob ein Ersttrimester-Screening zur Trisomie-21-Wahrscheinlichkeit erwünscht sei. Ja klar, alles machen, was es gibt – das ist doch die Pflicht einer besorgten Mutter, oder? Die Ärztin allerdings bremste sofort und bat darum, sich ernsthafte Gedanken zu machen, welche Konsequenzen denn aus einer erhöhten Down-Syndrom-Chance gezogen würden. Die Antwort nach kurzem Nachdenken lautete: gar keine. Der folgerichtige Rat der Ärztin: Dann muss man auch nicht danach gucken.

Was dieser kleine persönliche Exkurs sagen will: Der Weg zu einem ethischen und verantwortlichen Umgang mit Möglichkeiten der Medizin führt über eine offene, kompetente und einfühlsame Aufklärung. Nicht über das Verbauen medizinischer Möglichkeiten. Das kann nicht Anspruch einer fortschrittlichen Gesellschaft sein. Und schon gar nicht, dass bestimmte medizinische Möglichkeiten nur Menschen mit Geld zur Verfügung stehen. Denn darüber sollten alle nachdenken, die jetzt über dieses „Aussieben“ behinderter Kinder schimpfen: Aussieben kann man per Bluttest doch längst – wenn man es sich leisten kann.

Wir sollten erlauben und darauf bauen, dass Menschen mit Hilfe kluger Beratung individuell kluge Entscheidungen für ihre eigene Familie treffen. Pauschal Frauen zu verteufeln, die sich das Leben mit behindertem Kind nun einmal partout nicht vorstellen können, ist moralisch ja auch fragwürdig. In jedem Fall sehr anmaßend.

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