Meinung Tillichs letzter Gruß an Merkel: Nichts verstanden

Die Kanzlerin wird es nicht als Eingeständnis von Unvermögen und Fehleinschätzungen werten, dass Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich Wochen nach der Bundestagswahl seinen Rücktritt sowohl vom Amt des Ministerpräsidenten als auch des CDU-Landesvorsitzes ausgerechnet an dem Tag verkündet, an dem Angela Merkel in Berlin die Verhandlungen über eine mögliche Jamaika-Koalition startet.

Ulli Tückmantel.

Ulli Tückmantel.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Genauso gut hätte er eine Postkarte mit der Aufschrift „Nichts verstanden“ an das Kanzleramt schicken können. Tillich hat Sachsen und die CDU neun Jahre lang abgewirtschaftet. Zuletzt erklärte sein Vorgänger Kurt Biedenkopf (Ministerpräsident von 1990 bis 2002) mit eindeutigem Bezug zu Tillich, er, Biedenkopf, sorge sich um sein Lebenswerk.

In seiner gestrigen Rücktrittserklärung legte Tillich erwartbar eine Bilanz vor („dankbar und stolz auf das Erreichte“), die völlig ausblendet, dass unter seiner Regierung Pegida groß wurde, die Zahl der rechtsextremen Gewalttaten explodierte und die AfD zur treibenden politischen Kraft Sachsens heranwuchs. Nichts davon hat Tillich wirklich verstanden. Oder wie Kurt Biedenkopf TillichsDauer-Erklärung kommentierte, die AfD mit einem Rechtsruck der CDU besiegen zu wollen: „Wie willst du rechts von denen ankommen? Jetzt ist es zu spät.“

Nachdem mit Stanislaw Tillich schon der sprichwörtliche Bock in der Schürze des Gärtners die blühenden CDU-Landschaften Sachsens abgefressen hat, schlägt er zum Abschied vor, seinen gescheiterten Generalsekretär, Michael Kretschmer (42), sowohl zum Parteivorsitzenden als auch zum Ministerpräsidenten zu machen. Alle Achtung, Herr Tillich. Da kann sich Martin Dulig als Koalitionspartner und SPD-Landesvorsitzender eigentlich schon mal auf Neuwahlen weit vor dem regulären Termin 2019 freuen.

Tillichs Favorit Michael Kretschmer hat es geschafft, bei der Bundestagswahl seinen Wahlkreis in und um Görlitz an einen völlig unbekannten Direktkandidaten der AfD zu verlieren und zum Versorgungsfall zu werden. Er verantwortet ein mit der CSU verfasstes „Patriotismus-Papier“ für eine „Leit- und Rahmenkultur“, das viel über die Orientierungsschwierigkeiten der Ost-CDU aussagt. Der Landesparteitag der Sachsen-CDU am 9. Dezember wird zeigen, wie schlimm es um Biedenkopfs Erbe steht.

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